Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
Haut und langen, glatten, rabenschwarzen Haaren stand an der Anrichte neben der Spüle. Sie nahm große Muffins aus einer Dose und legte sie auf einen Pappteller. Einen Augenblick lang dachte ich, Embry hätte mir gesagt, ich sollte Emily nicht anstarren, weil sie so schön war.
Dann fragte sie mit melodischer Stimme: »Habt ihr Hunger?«, und drehte sich zu uns herum, ein Lächeln auf der einen Gesichtshälfte.
Die rechte Gesichtshälfte war vom Haaransatz bis zum Kinn von drei dicken Narben entstellt. Obwohl sie längst verheilt waren, waren sie immer noch rot. Eine Narbe zog ihr rechtes Auge, dunkel und mandelförmig, am Augenwinkel nach unten, eine andere verzerrte die rechte Seite ihres Mundes zu einer ständigen Grimasse.
Ich war heilfroh, dass Embry mich gewarnt hatte, und guckte schnell auf die Muffins in ihren Händen. Sie dufteten herrlich – nach frischen Blaubeeren.
»Oh«, sagte Emily überrascht. »Wer ist das denn?«
Ich schaute auf und versuchte mich auf ihre linke Gesichtshälfte zu konzentrieren.
»Bella Swan«, sagte Jared und zuckte die Achseln. Offensichtlich hatten sie schon über mich gesprochen. »Wer sonst?«
»Dann hat Jacob es also doch irgendwie hingekriegt«, murmelte sie. Sie starrte mich an, und keine der Hälften ihres einst schönen Gesichts war freundlich. »Du bist also das Vampirmädchen.«
Ich merkte, wie ich mich versteifte. »Ja. Und du bist das Wolfsmädchen?«
Sie lachte, ebenso wie Embry und Jared. Die linke Hälfte ihres Gesichts taute auf. »So kann man es sagen.« Sie wandte sich zu Jared. »Wo ist Sam?«
»Bella, ähm, hat Paul heute Morgen überrascht.«
Emily verdrehte das gesunde Auge. »Ach, Paul«, seufzte sie. »Glaubst du, sie bleiben lange weg? Ich wollte gerade mit den Eiern anfangen.«
»Keine Sorge«, sagte Embry. »Falls sie sich verspäten, sorgen wir schon dafür, dass nichts verkommt.«
Emily lachte in sich hinein, dann öffnete sie den Kühlschrank. »Das glaub ich sofort«, sagte sie. »Bella, hast du Hunger? Nimm dir doch einen Muffin.«
»Danke.« Ich nahm mir einen und begann daran zu knabbern. Er schmeckte köstlich, und es tat gut, etwas in den angegriffenen Magen zu bekommen. Embry nahm sich den dritten und schob ihn ganz in den Mund.
»Lass deinen Brüdern auch ein paar«, mahnte Emily und schlug ihm leicht mit einem Holzlöffel auf den Kopf. Das Wort »Brüder« überraschte mich, aber die anderen schienen sich nicht zu wundern.
»Fresssack«, sagte Jared.
Ich lehnte mich an die Anrichte und beobachtete die drei, die sich neckten, als wären sie eine Familie. Emilys Küche sah freundlich und hell aus, mit weißen Schränken und hellen Holzdielen. Auf dem kleinen runden Tisch stand ein angesprungener blauweißer Porzellankrug, der übervoll mit Wildblumen war. Embry und Jared schienen sich hier ganz zu Hause zu fühlen.
Emily verrührte eine gigantische Menge Eier, mehrere Dutzend, in einer großen gelben Schüssel. Sie hatte die Ärmel ihres lavendelfarbenen T-Shirts hochgeschoben, und ich sah, dass die Narben über ihren rechten Arm bis zum Handrücken liefen. Embry hatte Recht, wenn man sich mit Werwölfen abgab, lebte man wirklich gefährlich.
Die Haustür ging auf und Sam kam herein.
»Emily«, sagte er, und in seiner Stimme lag so viel Liebe, dass ich mich schämte und mir wie ein Eindringling vorkam, als er mit einem Schritt den Raum durchmaß und ihr Gesicht in seine großen Hände nahm. Er beugte sich zu ihr herab und küsste die dunklen Narben auf ihrer rechten Wange, bevor er ihre Lippen küsste.
»He, lass das gefälligst sein«, beschwerte sich Jared. »Ich esse.«
»Dann iss und halt die Klappe«, sagte Sam und küsste wieder Emilys entstellten Mund.
»Bah!«, stöhnte Embry.
Das hier war schlimmer als jeder romantische Film, es war so echt, dass es jubelte vor Freude und Leben und wahrer Liebe. Ich legte den Muffin hin und verschränkte die Arme vor der leeren Brust. Ich starrte auf die Blumen und versuchte ihr Glück und das entsetzliche Pochen meiner Wunden auszublenden.
Als Jacob und Paul hereinkamen, war ich dankbar für die Ablenkung, und gleichzeitig völlig irritiert, als ich sah, dass sie lachten. Paul boxte Jacob in die Schulter und Jacob konterte mit einem Nierenschlag. Sie lachten wieder. Beide waren offenbar heil geblieben.
Jacob schaute sich um, bis er mich sah – allein und unbeholfen in der hintersten Ecke der Küche.
»Hi, Bella«, sagte er vergnügt. Auf dem Weg zu mir schnappte er sich
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