Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
schon der riesige rostbraune Wolf – so riesig, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie er in Jacobs Körper passen sollte.
Er ging geradewegs auf den anderen Werwolf los. Wie Donnergrollen hallte ihr wütendes Knurren von den Bäumen wider.
Dort, wo Jacob verschwunden war, flatterten die schwarzen und weißen Stofffetzen, die Reste seiner Kleidung, zu Boden.
»Jacob!«, schrie ich wieder und taumelte vorwärts.
»Bleib, wo du bist, Bella«, befahl Sam. Bei dem Gebrüll der kämpfenden Wölfe konnte ich ihn kaum verstehen. Sie schnappten und bissen, sie versuchten mit ihren scharfen Zähnen die Kehle des anderen zu erwischen. Der Jacob-Wolf schien überlegen zu sein, er war deutlich größer als der andere und anscheinend auch stärker. Immer wieder rammte er die Schulter gegen den grauen Wolf und stieß ihn zurück in den Wald.
»Bringt sie zu Emily«, rief Sam den anderen zu, die den Kampf gespannt verfolgten. Jacob hatte den grauen Wolf von der Straße gedrängt und sie verschwanden im Wald, doch ihr Knurren war immer noch laut zu hören. Sam lief hinter ihnen her und kickte im Laufen seine Schuhe fort. Als er in den Wald rannte, zitterte er am ganzen Leib.
Das Knurren und Beißen entfernte sich. Plötzlich verstummten die Geräusche und auf der Straße war es ganz still.
Einer der Jungen prustete los.
Ich starrte ihn an – meine Augen waren weit aufgerissen und fühlten sich so starr an, als könnte ich gar nicht mehr blinzeln.
Offenbar lachte der Junge über meinen Gesichtsausdruck. »Na, so was kriegst du wohl nicht alle Tage zu sehen«, kicherte er. Er kam mir entfernt bekannt vor – er hatte ein schmaleres Gesicht als die anderen … Embry Call.
»Ich schon«, grummelte Jared. »Tagtäglich.«
»Ach was, Paul kriegt doch nicht jeden Tag einen Wutanfall«, widersprach Embry, immer noch grinsend. »Höchstens an zwei von drei Tagen.«
Jared hob etwas Weißes vom Boden auf. Er hielt es hoch und zeigte es Embry, in schlappen Streifen hing es von seiner Hand herab.
»Total zerfetzt«, sagte Jared. »Billy hat gesagt, das ist das letzte Paar, das er sich leisten kann – jetzt muss Jacob wohl barfuß laufen.«
»Der hier hat überlebt«, sagte Embry und hob einen weißen Turnschuh hoch. »Jake muss eben auf einem Bein hüpfen«, fügte er lachend hinzu.
Jared sammelte verschiedene Stofffetzen auf. »Nimm Sams Schuhe mit, ja? Alles Übrige kann in den Müll.«
Embry nahm die Schuhe, dann lief er dorthin, wo Sam im Wald verschwunden war. Kurz darauf kam er mit einer abgeschnittenen Jeans überm Arm zurück. Jared sammelte die zerrissenen Überbleibsel von Jacobs und Pauls Sachen ein und knüllte sie zusammen. Erst jetzt schien ihm wieder einzufallen, dass ich auch noch da war.
Er betrachtete mich prüfend.
»Du wirst doch nicht ohnmächtig oder übergibst dich oder so?«, wollte er wissen.
»Ich glaub nicht«, stieß ich hervor.
»Du siehst nicht so gut aus. Setz dich lieber mal hin.«
»Okay«, murmelte ich. Zum zweiten Mal an diesem Morgen legte ich den Kopf zwischen die Knie.
»Jake hätte uns warnen sollen«, beschwerte sich Embry.
»Er hätte seine Freundin nicht hierherbringen dürfen. Was hat er sich dabei gedacht?«
»Tja, jetzt ist der Wolf aus dem Sack.« Embry seufzte. »Da kommt noch einiges auf dich zu, Jake.«
Ich hob den Kopf und starrte die beiden Jungen an, die das alles offenbar so locker nahmen. »Macht ihr euch gar keine Sorgen um die beiden?«, fragte ich.
Embry blinzelte überrascht. »Wieso sollten wir uns denn Sorgen machen?«
»Sie könnten sich doch gegenseitig verletzen!«
Embry und Jared lachten schallend.
»Ich hoffe, Paul kriegt ein bisschen was von ihm ab«, sagte Jared. »Das würde ihm ganz recht geschehen.«
Ich wurde blass.
»Ja, ganz bestimmt!«, rief Embry. »Hast du Jake denn nicht gesehen? Selbst Sam hätte sich nicht so im Flug verwandeln können. Er hat gesehen, dass Paul die Beherrschung verlor, und er hat – wie lange? – eine halbe Sekunde gebraucht, um ihn anzugreifen. Der Junge ist begnadet.«
»Paul kämpft aber schon länger. Ich wette zehn Dollar, dass er ihn verwundet.«
»Die Wette gilt. Jake ist ein Naturtalent. Paul hat keine Chance.«
Grinsend reichten sie sich die Hand.
Ich versuchte mich damit zu beruhigen, dass sie sich keine Sorgen machten, aber das brutale Bild der kämpfenden Werwölfe ließ sich nicht verscheuchen. Mir drehte sich der Magen um, der sich wund und leer anfühlte, ich hatte Kopfschmerzen vor
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