Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
nicht begeistert, wenn ich deine Freundin umbringen würde.«
Bei seinen Worten wich ich zurück, aber er verstärkte seinen Griff, wollte mich noch nicht freigeben. »Es hat keinen Sinn, die Tatsachen zu leugnen. So liegen die Dinge nun mal, Bella.«
»Es gefällt mir aber absolut nicht, wie die Dinge liegen.«
Jacob löste einen Arm und fasste mir unters Kinn, so dass ich ihn ansehen musste. »Ja. Es wär leichter, wenn wir beide Menschen wären, was?«
Ich seufzte.
Wir schauten uns lange in die Augen. Seine Hand glühte auf meiner Haut. Ich wusste, dass in meinem Gesicht nur wehmütige Trauer lag – ich wollte nicht Abschied nehmen, und sei es auch nur für kurze Zeit. Erst spiegelte sein Gesichtsausdruck meinen, doch dann, als keiner von uns wegschaute, veränderte er sich.
Er hob auch die andere Hand und strich mir mit den Fingerspitzen über die Wange. Ich spürte, dass seine Hände zitterten, aber diesmal nicht vor Wut. Er hielt mein Gesicht zwischen seinen heißen Händen.
»Bella«, flüsterte er.
Ich war wie erstarrt.
Nein! Ich hatte mich noch nicht entschieden. Ich wusste nicht, ob ich das konnte, und jetzt hatte ich keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Aber es wäre dumm zu glauben, ich könnte ihn jetzt zurückweisen, ohne dass es Konsequenzen hätte.
Ich starrte ihn an. Er war nicht mein Jacob, aber er könnte es sein. Ich mochte sein Gesicht, es war mir vertraut. In so vielerlei Hinsicht liebte ich ihn wirklich. Er war mein Trost, mein sicherer Hafen. In diesem Moment könnte ich die Entscheidung treffen, dass er zu mir gehörte.
Alice war vorübergehend zurückgekehrt, aber das änderte nichts. Die wahre Liebe war für immer verloren. Der Prinz würde nie zurückkehren, um mich aus meinem verwunschenen Schlaf zu erlösen. Schließlich war ich keine Prinzessin. Und was sagten die Märchen über andere Küsse? Die irdischen, die keinen Zauber lösten?
Vielleicht würde es ganz einfach sein – so wie es ganz einfach war, seine Hand zu halten oder mich von ihm umarmen zu lassen. Vielleicht wäre es ein schönes Gefühl. Vielleicht würde es sich nicht wie Betrug anfühlen. Und wen betrog ich auch schon? Nur mich selbst.
Ohne den Blick von mir zu wenden, beugte Jacob sich zu mir herab. Und ich hatte immer noch keine Ahnung, was ich tun sollte.
Das schrille Klingeln des Telefons ließ uns beide zusammenfahren, aber er wandte sich nicht von mir ab. Er zog die eine Hand weg und nahm den Hörer, aber die andere Hand lag noch immer an meiner Wange. Der Blick seiner dunklen Augen gab mich nicht frei. Ich war zu verwirrt, um zu reagieren oder die Störung auszunutzen.
»Bei Swan«, sagte Jacob, und seine heisere Stimme war leise und eindringlich.
Als der Anrufer antwortete, veränderte Jacob sich augenblicklich. Er straffte sich und ließ mein Gesicht los. Sein Blick wurde leer, sein Gesicht ausdruckslos, und ich hätte den kläglichen Rest meines Collegegeldes darauf verwettet, dass am anderen Ende der Leitung Alice war.
Als ich mich gefasst hatte, streckte ich die Hand nach dem Telefon aus. Jacob beachtete mich gar nicht.
»Der ist nicht da«, sagte er, und es klang drohend.
Darauf folgte eine ganz kurze Antwort, offenbar eine Nachfrage, denn Jacob fügte widerwillig hinzu: »Er ist auf der Beerdigung.«
Dann legte er auf. »Dreckiger Blutsauger«, stieß er leise hervor. Als er mich wieder ansah, hatte sein Gesicht sich in eine verbitterte Maske verwandelt.
»Wer war das und wieso hast du einfach aufgelegt?«, sagte ich wütend. »Das ist unser Telefon und unser Haus!«
»Immer mit der Ruhe! Er hat aufgelegt!«
»Er? Wer war denn dran?«
» Dr. Carlisle Cullen«, stieß er verächtlich hervor.
»Warum hast du ihn mir nicht gegeben?«
»Er hat nicht nach dir gefragt«, sagte Jacob kalt. Sein Gesicht war glatt und ausdruckslos, aber seine Hände bebten. »Er hat gefragt, wo Charlie ist, und das hab ich ihm gesagt. Ich glaube nicht, dass ich da gegen irgendwelche Höflichkeitsregeln verstoßen habe.«
»Jetzt hör mir mal zu, Jacob Black …«
Aber er hörte mir nicht zu. Stattdessen schaute er schnell über die Schulter, als hätte ihn jemand aus dem Nebenzimmer gerufen. Er riss die Augen auf und erstarrte, dann fing er an zu zittern. Automatisch spitzte ich die Ohren, aber ich hörte nichts.
»Leb wohl, Bella«, stieß er hervor und wirbelte herum zur Haustür.
Ich rannte ihm nach. »Was ist los?«
Und dann stieß ich mit ihm zusammen, als er leise fluchend zurückfuhr.
Weitere Kostenlose Bücher