Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
nur von sich selbst ablenken wollte.
Edward stand auf und warf ihm lässig die Kamera zu.
Ich stellte mich neben Edward, und es kam mir merkwürdig gezwungen vor. Er legte mir eine Hand leicht auf die Schulter und ich legte ihm den Arm fest um die Mitte. Ich hätte ihm gern ins Gesicht gesehen, aber ich traute mich nicht.
»Lächeln, Bella«, mahnte Charlie mich wieder.
Ich holte tief Luft und lächelte. Dann wurde ich vom Blitz geblendet.
»Das reicht für heute Abend«, sagte Charlie, schob die Kamera in eine Ritze zwischen den Sofakissen und setzte sich darauf. »Du musst heute ja nicht den ganzen Film vollknipsen.«
Edward ließ die Hand von meiner Schulter sinken und wand sich beiläufig aus meiner Umarmung. Dann setzte er sich wieder in den Sessel.
Ich zögerte und setzte mich wieder neben das Sofa. Plötzlich hatte ich solche Angst, dass meine Hände zitterten. Ich presste sie an den Bauch, um sie zu verstecken, legte das Kinn auf die Knie und starrte auf den Bildschirm, ohne etwas zu sehen.
Als die Sendung zu Ende war, hatte ich mich keinen Millimeter vom Fleck bewegt. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Edward sich erhob.
»Ich fahre dann mal«, sagte er.
Charlie schaute nicht von der Werbung auf. »Tschüss.«
Ungelenk stand ich auf – ich war steif vom langen Stillsitzen – und begleitete Edward zur Tür hinaus. Er steuerte direkt auf seinen Wagen zu.
»Bleibst du noch?«, fragte ich ohne Hoffnung in der Stimme.
Ich hatte mit seiner Antwort gerechnet, deshalb tat es nicht ganz so weh.
»Heute nicht.«
Ich fragte nicht, warum.
Er stieg ein und fuhr davon, während ich reglos dastand. Ich merkte kaum, dass es regnete. Ich wartete, ohne zu wissen, worauf, bis die Tür hinter mir aufging.
»Bella, was machst du denn da?«, fragte Charlie, der sich wunderte, dass ich allein und triefnass dastand.
»Nichts.« Ich drehte mich um und schlich zurück ins Haus.
Es war eine lange Nacht, in der ich kaum Ruhe fand.
Sobald es anfing zu dämmern, stand ich auf. Mechanisch zog ich mich für die Schule an und wartete darauf, dass die Wolken heller wurden. Als ich eine Schale Cornflakes gegessen hatte, entschied ich, dass es hell genug war, um Fotos zu machen. Ich knipste meinen Transporter und die Vorderseite des Hauses. Dann machte ich noch ein paar Aufnahmen von dem Wald hinterm Haus. Komischerweise kam er mir heute gar nicht so düster vor wie sonst. Mir wurde klar, dass er mir fehlen würde – das Grün, die Zeitlosigkeit, das Geheimnis des Waldes. All das.
Ich packte die Kamera in die Schultasche und fuhr los. Ich versuchte mich auf mein neues Projekt zu konzentrieren und nicht darüber nachzudenken, ob Edward in der vergangenen Nacht über die Sache hinweggekommen war oder nicht.
Ich hatte nicht nur Angst, ich war auch ungeduldig. Wie lange sollte das dauern?
Es dauerte den ganzen Vormittag. Er ging schweigend neben mir her, ohne mich richtig anzuschauen. Ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber selbst Englisch konnte mich nicht fesseln. Mr Berty musste seine Frage nach Lady Capulet zweimal wiederholen, bis ich merkte, dass ich dran war. Edward sagte mir die richtige Antwort vor, dann ignorierte er mich wieder.
Beim Mittagessen ging das Schweigen weiter. Ich hätte jeden Moment losschreien können, und um mich abzulenken, beugte ich mich über die unsichtbare Grenze am Tisch und sprach Jessica an.
»He, Jess!«
»Was gibt’s, Bella?«
»Kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte ich und fasste in meine Tasche. »Meine Mutter möchte, dass ich Fotos von meinen Freunden mache. Knips mal ein paar Bilder von allen Leuten, ja?«
Ich reichte ihr die Kamera.
»Klar.« Grinsend drehte sie sich um und machte einen Schnappschuss von Mike mit vollem Mund.
Wie zu erwarten, folgte nun die reinste Fotoschlacht. Ich sah, wie sie die Kamera herumreichten, wie sie kicherten und flirteten und sich darüber beschwerten, dass sie fotografiert wurden. Es kam mir ziemlich kindisch vor. Aber vielleicht war ich heute nur nicht in der Stimmung für Leute, die sich ganz normal benahmen.
»Oh-oh«, sagte Jessica entschuldigend, als sie mir die Kamera wiedergab. »Ich glaub, wir haben den ganzen Film verballert.«
»Schon in Ordnung. Ich hatte schon alles fotografiert, was ich wollte.«
Nach der Schule begleitete Edward mich schweigend zum Parkplatz. Ich musste heute wieder arbeiten, und ausnahmsweise war ich froh darüber. Offenbar half es ihm nicht, Zeit mit mir zu verbringen. Vielleicht
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