Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
kleinen Umlaufbahn immer weiter den jetzt leeren Raum umkreiste.
Ich machte Fortschritte auf dem Motorrad, und das bedeutete weniger Blessuren, über die Charlie sich aufregen konnte. Aber es bedeutete auch, dass ich die Stimme in meinem Kopf seltener hörte, bis sie schließlich ganz verschwand. Ich geriet auf leise Art in Panik. Fast schon manisch stürzte ich mich in die Suche nach der Lichtung. Gleichzeitig zermarterte ich mir das Hirn nach anderen adrenalinträchtigen Beschäftigungen.
Ich achtete nicht darauf, wie viele Tage vergingen – dafür gab es auch keinen Grund, denn ich versuchte möglichst in der Gegenwart zu leben – keine Vergangenheit, die verblasste, keine Zukunft, die mir bevorstand. Deshalb war ich überrascht, als Jacob an einem unserer Hausaufgaben-Samstage ein Geschenk für mich hatte. Ich fuhr nach der Arbeit zu ihm, und als ich vor seinem Haus hielt, wartete er schon auf mich.
»Alles Gute zum Valentinstag«, sagte er. Er lächelte verschämt.
In der ausgestreckten Hand hielt er eine kleine rosafarbene Schachtel. Bunte Zuckerherzen.
»Oh, jetzt komme ich mir aber bescheuert vor«, murmelte ich. »Ist heute Valentinstag?«
Jacob tat so, als wäre er untröstlich, und schüttelte den Kopf. »Manchmal bist du echt neben der Spur. Ja, heute ist der vierzehnte Februar. Also, willst du heute mein Valentinsschatz sein? Wenn du schon nichts Süßes für mich hast, ist das ja wohl das mindeste.«
Ich begann mich unbehaglich zu fühlen. Seine Worte waren scherzhaft, aber dahinter steckte mehr.
»Und was hat das für Konsequenzen?«, fragte ich vorsichtig.
»Das Übliche – ein Leben in Ketten, so was in der Art.«
»Na, wenn das alles ist …« Ich nahm die Herzen. Gleichzeitig überlegte ich, wie ich die Grenzen abstecken könnte. Mal wieder. Die schienen bei Jacob immer zu verwischen.
»Und, hast du schon Pläne für morgen gemacht? Wandern oder Notaufnahme?«
»Wandern«, entschied ich. »Du bist nicht der Einzige, der von einer Sache besessen sein kann. Allmählich glaube ich schon, ich hab mir die Lichtung nur eingebildet …« Stirnrunzelnd schaute ich ins Leere.
»Wir finden sie schon«, sagte er zuversichtlich. »Und am Freitag Motorrad fahren?«, schlug er vor.
Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopf, ohne groß darüber nachzudenken.
»Am Freitag geh ich ins Kino. Ich hab den Leuten aus der Schule schon vor ewigen Zeiten versprochen, mit ihnen auszugehen.« Mike würde sich freuen.
Doch Jacobs Miene verfinsterte sich. Ich sah den Ausdruck in seinen dunklen Augen, ehe er den Blick senkte.
»Du kommst doch mit, oder?«, fügte ich schnell hinzu. »Oder nervt dich das zu sehr, mit einer Horde öder Abschlussschüler rumzuziehen?« So weit also zu der Gelegenheit, die Grenzen abzustecken. Ich konnte Jacob einfach nicht wehtun, wir waren auf merkwürdige Weise miteinander verbunden, und wenn ich ihm Schmerzen zufügte, tat ich mir selber weh. Außerdem war es zu verlockend, bei dieser Pflichtübung – ich hatte es Mike zwar versprochen, hatte aber keine große Lust – Jacob dabeizuhaben.
»Du möchtest, dass ich mitkomme, wenn du mit deinen Freunden ausgehst?«
»Ja«, sagte ich aufrichtig, und während ich weitersprach, wurde mir klar, dass ich mir damit wahrscheinlich einen Bärendienst erwies. »Wenn du dabei bist, wird es bestimmt viel lustiger. Bring Quil doch auch mit.«
»Quil wird ausflippen. Mädchen aus der Abschlussklasse!« Er kicherte und verdrehte die Augen. Keiner von uns erwähnte Embry.
Ich lachte auch. »Ich versuche ihm eine gute Auswahl zusammenzustellen.«
Am Montag, nach der Englischstunde, sprach ich Mike darauf an.
»Hey, Mike, hast du Freitag Zeit?«
Er schaute auf, sofort sah er hoffnungsvoll aus. »Ja. Sollen wir zusammen ausgehen?«
Ich wog meine Worte sorgfältig ab. »Ich dachte mir, wir könnten mit den anderen in Crosshairs gehen.« Diesmal hatte ich meine Hausaufgaben gemacht. Ich hatte sogar die Vorankündigungen studiert, um mich nicht zu blamieren. Dieser Film war offenbar von Anfang bis Ende ein einziges Blutbad. Für einen Liebesfilm hatte ich mich noch nicht genügend erholt. »Hättest du Lust?«
»Klar«, sagte er, jetzt schon sichtlich weniger begeistert.
»Super.«
Eine Sekunde später war er schon wieder obenauf und sagte: »Was hältst du davon, wenn wir Angela und Ben fragen? Oder Eric und Katie?«
Er wollte anscheinend eine Art Pärchentreffen daraus machen.
»Wir wär’s mit allen vieren?«, schlug ich vor. »Und
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