Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Titel: Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
Vom Netzwerk:
schaute Jacob auf den Kompass und achtete darauf, dass wir auf einer der strahlenförmig angeordneten Linien des Gitternetzes blieben. Er schien zu wissen, was er tat. Ich wollte ihn schon dafür loben, aber ich hielt mich zurück. Zweifellos hätte er noch ein paar Jahre auf sein sowieso schon überhöhtes Alter aufgeschlagen.
    Beim Wandern schweiften meine Gedanken ab, und meine Neugier regte sich. Ich hatte unser Gespräch bei den Klippen nicht vergessen – ich hatte darauf gewartet, dass er noch mal davon anfangen würde, aber es sah nicht danach aus.
    »Du … Jake?«, sagte ich zögernd.
    »Ja?«
    »Was ist eigentlich … mit Embry? Ist er inzwischen wieder normal geworden?«
    Jacob schwieg eine Weile und ging mit großen Schritten weiter. Als er ein paar Meter Vorsprung hatte, blieb er stehen und wartete auf mich.
    »Nein. Er ist nicht wieder normal«, sagte Jacob, als ich ihn eingeholt hatte. Seine Mundwinkel zeigten nach unten. Er ging nicht weiter. Sofort bereute ich, dass ich davon angefangen hatte.
    »Immer noch mit Sam zusammen?«
    »Ja.«
    Er legte mir einen Arm um die Schultern und sah so besorgt aus, dass ich ihn nicht scherzhaft abschüttelte, wie ich es sonst vielleicht getan hätte.
    »Gucken sie dich immer noch komisch an?«, fragte ich halb im Flüsterton.
    Jacob starrte in die Bäume. »Manchmal.«
    »Und Billy?«
    »Hilfreich wie immer«, sagte er in einem wütenden Ton, der mich beunruhigte.
    »Unser Sofa steht dir jederzeit zur Verfügung«, sagte ich.
    Er lachte und verscheuchte damit die trübsinnige Stimmung. »Aber stell dir mal vor, wie Charlie dann dastünde – wenn Billy bei der Polizei anruft und sagt, ich wär entführt worden.«
    Ich stimmte in sein Lachen ein und war froh, dass er wieder der Alte war.
    Als Jacob sagte, wir seien zehn Kilometer gelaufen, blieben wir stehen, gingen dann ein kleines Stück in Richtung Westen und wanderten auf einer anderen Linie des Gitternetzes zurück. Auf dem Rückweg sah alles genauso aus wie auf dem Hinweg, und ich dachte schon, dass die Suche wohl zum Scheitern verurteilt war. Das sagte ich schließlich auch, als es anfing zu dämmern und der sonnenlose Tag schon bald in eine sternlose Nacht übergehen würde. Doch Jacob war zuversichtlicher.
    »Solange du dir sicher bist, dass wir von der richtigen Stelle aus loslaufen …« Er warf mir einen zweifelnden Blick zu.
    »Ja, ganz sicher.«
    »Dann finden wir es auch«, versprach er, fasste meine Hand und zog mich durch den dichten Farn. Auf der anderen Seite stand der Transporter. Stolz zeigte er darauf. »Vertrau mir einfach.«
    »Nicht schlecht«, gab ich zu. »Aber nächstes Mal nehmen wir Taschenlampen mit.«
    »Lass uns einfach immer sonntags wandern gehen. Ich konnte ja nicht wissen, dass du so langsam bist.«
    Ich zog meine Hand weg und stapfte zur Fahrertür, während er leise kicherte.
    »Also morgen auf ein Neues?«, fragte er, als er sich auf den Beifahrersitz setzte.
    »Klar. Es sei denn, du gehst lieber ohne mich, damit du nicht in meinem Schneckentempo mitlatschen musst.«
    »Ich werd’s überleben«, versicherte er mir. »Aber nimm dir für morgen lieber ein paar Pflaster mit. Ich wette, du merkst die neuen Schuhe jetzt schon.«
    »Ein bisschen«, gab ich zu. Ich hatte das Gefühl, dass ich mehr Blasen als Zehen an den Füßen hatte.
    »Hoffentlich sehen wir morgen den Bären. Ich bin doch ein bisschen enttäuscht.«
    »Ja, ich auch«, sagte ich sarkastisch. »Vielleicht haben wir morgen ja Glück und werden aufgefressen!«
    »Bären fressen keine Menschen. Wir sind nicht so lecker.« Er grinste mich im dunklen Wagen an. »Kann natürlich sein, dass du eine Ausnahme bist. Ich wette, du schmeckst gut.«
    »Vielen Dank«, sagte ich und schaute weg. Er war nicht der Erste, der mir das sagte.

D as fünfte Rad am Wagen
    Die Zeit verging jetzt viel schneller als früher. Die Schule, die Arbeit und Jacob – wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge – gaben mir eine klare und einfache Struktur, an die ich mich halten konnte. Und Charlies Wunsch war in Erfüllung gegangen, ich war nicht mehr unglücklich. Natürlich konnte ich mich selbst nicht so ganz täuschen. Wenn ich einmal über mein Leben nachdachte, was ich aber möglichst vermied, war mir schon klar, was es mit meinem Verhalten auf sich hatte.
    Ich war wie ein verlorener Mond, dessen Planet in einem verheerenden Katastrophenfilm-Szenario zerstört worden war und der, die Gesetze der Schwerkraft ignorierend, auf seiner

Weitere Kostenlose Bücher