Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot
Schulabschluss oder so.
Aber die Vorstellung, meine Mutter jetzt schon zu besuchen und nicht erst in ein paar Wochen, war fast unwiderstehlich. Wir hatten uns so lange nicht gesehen. Und noch länger war es her, dass wir uns unter glücklichen Umständen gesehen hatten. Als ich das letzte Mal bei ihr in Phoenix gewesen war, hatte ich die ganze Zeit im Krankenhaus gelegen. Und bei ihrem letzten Besuch war ich mehr oder weniger unzurechnungsfähig gewesen. Nicht gerade die schönsten Erinnerungen, die sie an mich hatte.
Wenn sie jetzt sehen könnte, wie glücklich ich mit Edward war, würde sie Charlie ja vielleicht sagen, er solle sich nicht so anstellen.
Edward musterte mich, während ich überlegte.
Ich seufzte. »Nicht an diesem Wochenende.«
»Warum nicht?«
»Ich will keinen Streit mit Charlie. Nicht jetzt, wo er mir gerade erst verziehen hat.«
Er zog die Augenbrauen zusammen. »Ich finde, dieses Wochenende ist ideal«, murmelte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Ein andermal.«
»Du bist nicht die Einzige, die in diesem Haus eingesperrt war, weißt du?« Er warf mir einen finsteren Blick zu.
Jetzt wurde ich wieder misstrauisch. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Sonst war er immer so unglaublich selbstlos. Aber wahrscheinlich war ich schon zu verwöhnt.
»Du kannst reisen, wohin du willst«, sagte ich.
»Ohne dich ist die Welt für mich ohne Reiz.«
Ich verdrehte die Augen, weil er so maßlos übertrieb.
»Das ist mein Ernst«, sagte er.
»Lass uns die Welt langsam angehen, ja? Wir könnten ja erst mal in Port Angeles ins Kino gehen …«
Er stöhnte. »Lass nur. Wir reden später darüber.«
»Da gibt es nichts zu reden.«
Er zuckte die Schultern.
»Also gut, Themawechsel«, sagte ich. Meine Sorge vom Nachmittag hatte ich schon fast vergessen – war das Sinn und Zweck des Ganzen gewesen? »Was hat Alice heute beim Mittagessen gesehen?«
Ich sah ihn genau an, während ich das sagte, und beobachtete seine Reaktion.
Er wirkte gelassen, nur der Ausdruck seiner Topasaugen wurde ein kleines bisschen härter. »Sie hat Jasper an einem merkwürdigen Ort gesehen, irgendwo im Südwesten, wie sie vermutet, in der Nähe seiner alten … Familie. Doch er ist sich keiner Absicht bewusst, zurückzugehen.« Er seufzte. »Deswegen ist sie besorgt.«
»Ach so.« Das war ganz und gar nicht das, womit ich gerechnet hatte. Aber es war natürlich logisch, dass Alice Jaspers Zukunft im Blick hatte. Er war ihr Seelenverwandter, ihre wahre zweite Hälfte, auch wenn sie ihre Beziehung nicht so zur Schau stellten wie Rosalie und Emmett. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich wusste nicht, dass du es bemerkt hattest«, sagte er. »Wahrscheinlich ist es auch gar nicht weiter von Belang.«
Meine Phantasie war völlig mit mir durchgegangen. Ich hatte mir einen ganz normalen Nachmittag lang alles so zurechtgesponnen, dass es aussah, als würde Edward etwas angestrengt vor mir verbergen. Ich brauchte dringend eine Therapie.
Wir gingen nach unten, um Hausaufgaben zu machen, für den Fall, dass Charlie früher nach Hause kam. Edward war nach wenigen Minuten fertig; ich quälte mich mit Mathe, bis ich entschied, dass es Zeit zum Kochen war. Edward half mir, wobei er hin und wieder das Gesicht verzog – er fand Menschenessen ziemlich ekelhaft. Ich kochte Bœuf Stroganow nach einem Rezept von Oma Swan, um Charlie zu bestechen. Es war nicht gerade mein Leibgericht, aber er würde sich freuen.
Charlie kam schon gut aufgelegt nach Hause. Er gab sich nicht mal Mühe, unfreundlich zu Edward zu sein. Edward entschuldigte sich wie üblich vom Essen. Aus dem Wohnzimmer waren die Abendnachrichten zu hören, aber ich bezweifelte, dass er sie wirklich anschaute.
Nachdem Charlie drei Portionen vertilgt hatte, legte er die Füße auf den freien Stuhl und faltete die Hände zufrieden über dem prallen Bauch.
»Das war köstlich, Bella.«
»Freut mich, dass es dir geschmeckt hat. Wie war’s auf der Arbeit?« Bis dahin war er so mit Essen beschäftigt gewesen, dass keine Unterhaltung möglich war.
»Ein bisschen langweilig. Ehrlich gesagt, sogar todlangweilig. Am Nachmittag haben Mike und ich eine ganze Zeit Karten gespielt«, gestand er grinsend. »Ich hab gewonnen, neunzehn zu sieben. Und ich hab eine Weile mit Billy telefoniert.«
Ich versuchte keine Miene zu verziehen. »Wie geht es ihm?«
»Gut, gut. Hat ein bisschen Beschwerden mit den Gelenken.«
»Ach. Das tut mir leid.«
»Ja. Er hat uns für dieses Wochenende
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