Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot
erinnere mich noch, wie irritiert ich war, als sie darauf bestand, dass ich mein Kleid aus weißem Organza anzog und die Haare aufdrehte, nur um zur Bank hinüberzugehen.« Rosalie lachte bitter.
»Mir fiel gar nicht auf, dass Royce mich besonders anschaute. Alle schauten mich an. Doch an jenem Abend kamen die ersten Rosen. Während er um mich warb, sandte er mir jeden Abend einen Rosenstrauß. Mein Zimmer quoll beinahe über davon. Es ging so weit, dass ich nach Rosen duftete, wenn ich das Haus verließ.
Royce war ein gutaussehender Mann. Er hatte hellere Haare als ich und blassblaue Augen. Er sagte, meine Augen hätten die Farbe von Veilchen, und von da an bekam ich außer Rosen auch Veilchen geschickt. Meine Eltern waren mit alldem einverstanden – um das Mindeste zu sagen. All ihre Träume erfüllten sich. Und mit Royce schienen sich auch all meine Träume zu erfüllen. Der Märchenprinz war gekommen, mich zur Prinzessin zu machen. Das war alles, was ich wollte, und doch nicht mehr als das, was ich erwartet hatte. Ich kannte ihn noch keine zwei Monate, als wir uns verlobten.
Wir waren nicht oft allein miteinander. Royce sagte, er hätte viel Arbeit, und außerdem gefiel es ihm, wenn die Leute uns anschauten und mich an seinem Arm sahen. Auch mir gefiel das. Es gab viele Feste, Bälle und schöne Kleider. Für einen King öffneten sich alle Türen, jeder rollte ihm einen roten Teppich aus, um ihn zu empfangen.
Die Verlobungszeit dauerte nicht lange. Schon bald wurden Pläne für die prunkvollste aller Hochzeiten gemacht. Ich sollte alles bekommen, was ich mir immer gewünscht hatte. Mein Glück war vollkommen. Wenn ich jetzt Vera besuchte, war ich nicht mehr neidisch. Ich stellte mir vor, wie meine blonden Kinder in den großen Gärten der Kings spielen würden, und Vera tat mir nur leid.«
Rosalie brach plötzlich ab und biss die Zähne zusammen. Ich wurde aus ihrer Geschichte gerissen und begriff, dass jetzt bald das Schreckliche kommen würde. Es gab kein Happy End, das hatte sie schon angekündigt. Ich fragte mich, ob sie wohl deshalb so viel bitterer war als die anderen Cullens – weil ihr Glück beinahe perfekt gewesen war, als ihr das Leben genommen wurde.
»An jenem Abend war ich bei Vera«, flüsterte Rosalie. Ihr Gesicht war glatt wie Marmor und ebenso hart. »Ihr kleiner Henry war wirklich entzückend mit seinen Grübchen, er lächelte die ganze Zeit – er konnte eben erst sitzen. Vera begleitete mich beim Abschied zur Tür, das Baby im Arm und ihren Mann an ihrer Seite. Er hatte ihr einen Arm um die Taille gelegt. Als er dachte, ich sähe nicht hin, küsste er sie auf die Wange. Ich stutzte. Wenn Royce mich küsste, war es anders – irgendwie nicht so sanft … Ich schob den Gedanken beiseite. Royce war mein Prinz. Eines Tages würde ich Königin sein.«
Es war im Mondlicht kaum zu erkennen, aber es sah so aus, als würde ihr kalkweißes Gesicht noch blasser.
»Auf der Straße war es dunkel, die Laternen waren schon an. Ich hatte nicht bemerkt, wie spät es geworden war.« Ihr Flüstern war jetzt fast unhörbar. »Und es war kalt. Sehr kalt für Ende April. Es war nur noch eine Woche bis zur Hochzeit, und während ich nach Hause lief, machte ich mir Sorgen wegen des Wetters – daran erinnere ich mich noch genau. Ich erinnere mich an jede Einzelheit dieses Abends. Ich klammerte mich so sehr daran … am Anfang. Ich dachte an nichts anderes. Deshalb weiß ich das noch alles, während so viele andere Erinnerungen vollkommen verblasst sind …«
Sie seufzte und erzählte flüsternd weiter. »Ja, ich machte mir Sorgen wegen des Wetters … Die Hochzeitsfeier sollte im Freien stattfinden …
Ich war nur noch wenige Straßen von unserem Haus entfernt, als ich die Stimmen hörte. Eine Gruppe von Männern unter einer kaputten Laterne, die zu laut lachten. Betrunkene. Ich bereute, dass ich meinen Vater nicht gebeten hatte, mich abzuholen, doch der Weg war so kurz, dass es mir albern vorgekommen war. Und dann rief er mich.
› Rose! ‹ , brüllte er, und die anderen lachten dümmlich. Erst jetzt fiel mir auf, dass die Betrunkenen elegant gekleidet waren. Es waren Royce und einige seiner Freunde, alles Söhne reicher Männer.
› Da kommt meine Rose! ‹ , rief Royce und stimmte in ihr dümmliches Gelächter ein. › Du bist spät dran. Wir frieren, du hast uns so lange warten lassen. ‹
Ich hatte ihn bis dahin nie trinken sehen. Hier und da ein Glas zum Anstoßen auf einem Fest. Er
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