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Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot

Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot

Titel: Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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einfacher. Es war 1933 . Ich war achtzehn und sehr schön. Mein Leben war vollkommen.«
    Sie starrte zu den silbernen Wolken, ihr Blick war in weite Ferne gerichtet.
    »Meine Eltern waren durch und durch bürgerlich. Mein Vater hatte eine sichere Stellung in der Bank. Im Nachhinein ist mir klargeworden, dass er sich darauf etwas einbildete – er betrachtete seinen Wohlstand als gerechten Lohn für Talent und harte Arbeit und sah nicht, dass er auch Glück gehabt hatte. Ich hielt das alles für selbstverständlich; bei uns zu Hause schien die Weltwirtschaftskrise nur ein dummes Gerücht zu sein. Natürlich sah ich die armen Leute, die nicht so viel Glück gehabt hatten. Mein Vater vermittelte mir den Eindruck, sie seien an ihrem Elend selbst schuld.
    Die Aufgabe meiner Mutter bestand darin, das Haus in tadelloser Ordnung zu halten und für mich und meine beiden kleinen Brüder zu sorgen. Es war offensichtlich, dass ich ihr Augenstern war. Damals verstand ich es nicht richtig, aber mir war immer undeutlich bewusst, dass meine Eltern mit dem, was sie hatten, nicht zufrieden waren, obwohl sie doch so viel mehr hatten als die meisten. Sie wollten noch mehr. Sie wollten höher hinaus – man könnte sie wohl als gesellschaftliche Aufsteiger bezeichnen. Meine Schönheit war für sie wie ein Geschenk. Sie sahen darin ein viel größeres Potenzial als ich.
    Sie waren nicht zufrieden, ich schon. Ich war überglücklich, ich selbst zu sein, Rosalie Hale. Es freute mich, dass die Blicke der Männer mir von meinem zwölften Lebensjahr an überallhin folgten. Dass meine Freundinnen neidvoll seufzten, wenn sie mein Haar berührten. Dass meine Mutter stolz auf mich war und mein Vater mir gern schöne Kleider kaufte.
    Ich wusste, was ich im Leben wollte, und es schien ausgeschlossen, dass mir das verwehrt sein sollte. Ich wollte geliebt und angehimmelt werden. Ich wollte eine große, bombastische Hochzeit, alle in der Stadt sollten sehen, wie mein Vater mich zum Altar führte, und ich wollte die schönste Braut sein, die es je gegeben hatte. Ich brauchte die Bewunderung der anderen wie die Luft zum Atmen, Bella. Ich war albern und oberflächlich, aber ich war zufrieden.« Sie lächelte über diese Selbsterkenntnis.
    »Durch den Einfluss meiner Eltern strebte auch ich nach materiellem Wohlstand. Ich wünschte mir ein großes, stilvoll möbliertes Haus, das jemand anders für mich sauber hielt, und eine moderne Küche, in der jemand anders für mich kochte. Wie gesagt, ich war oberflächlich. Jung und sehr oberflächlich. Und ich sah keinen Grund, weshalb sich meine Wünsche nicht erfüllen sollten.
    Einige wenige Wünsche hatte ich, die etwas tiefer gingen. Vor allem einen. Meine allerbeste Freundin hieß Vera. Sie heiratete jung, mit siebzehn Jahren. Sie hatte einen Mann erwählt, den meine Eltern niemals für mich in Betracht gezogen hätten – einen Zimmermann. Im Jahr darauf bekam sie einen Sohn, einen wunderschönen kleinen Jungen mit Grübchen und schwarzen Locken. Zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich tiefen Neid auf jemand anderen.«
    Rosalies Blick war unergründlich. »Es waren andere Zeiten. Ich war genauso alt wie du, doch ich war zu allem bereit. Ich sehnte mich danach, selbst ein Baby zu bekommen. Ich wollte ein eigenes Haus haben und einen Mann, der mich küsste, wenn er von der Arbeit nach Hause kam – so wie Vera. Nur dass ich ein ganz anderes Haus im Sinn hatte …«
    Ich konnte mir die Welt, in der Rosalie gelebt hatte, kaum vorstellen. Ihre Geschichte klang für mich eher wie ein Märchen als wie etwas, das sich wirklich zugetragen hatte. Ich erschrak ein wenig, als mir klarwurde, dass Edward als Mensch in einer ganz ähnlichen Welt gelebt hatte wie Rosalie. Während Rosalie schweigend dasaß, fragte ich mich, ob meine Welt Edward wohl ähnlich fremd vorkam wie Rosalies mir.
    Rosalie seufzte, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme anders, ohne jede Wehmut.
    »In Rochester gab es eine tonangebende Familie – passenderweise hießen sie King. Royce King war der Besitzer der Bank, für die mein Vater arbeitete, außerdem gehörten ihm fast alle anderen gutgehenden Geschäfte in der Stadt. So lernte sein Sohn, Royce King der Zweite«, – sie verzerrte den Mund bei dem Namen – »mich kennen. Er sollte die Bank übernehmen, und deshalb begann er die einzelnen Abteilungen genau zu überprüfen. Zwei Tage darauf vergaß meine Mutter rein zufällig, meinem Vater sein Mittagessen mitzugeben. Ich

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