Biss der Wölfin: Roman
hier drin eine Internetverbindung kriegst, gebe ich dir mein Essen.«
»Ich bin Optimistin.«
Er schüttelte den Kopf und machte sich auf, uns etwas Essbares zu besorgen, während ich das Gerät einschaltete und hochfuhr.
Ich klappte den Laptop zu, als Clay mit Kaffee und Bagels zurückkam.
»Sag’s nicht«, murmelte ich.
Er gab mir einen Kaffee und stellte beide Bagels auf seiner Seite des Tischs ab.
Ich schnappte mir einen davon. »Ich habe keine Wette abgeschlossen. Wenn du zwei willst, hole ich dir noch einen. Wir werden sowieso noch eine Weile hier rumsitzen.«
»Nicht nötig, dass wir beide hierbleiben. Du wolltest bei dieser Zeitung vorbeigehen. Mach das, und ich halte Ausschau nach dem Jungen.«
Ich hatte eigentlich keine Lust zu gehen. Ich hatte gerade angefangen, mich etwas zu entspannen, die Anspannung der letzten Woche abzuschütteln. Doch je mehr Aufgaben ich jetzt von unserer Liste strich, desto schneller konnten wir uns eine Pause gönnen.
»Ich bin in einer Stunde zurück.« Und mit einem Nicken zu den zementharten Bagels hin: »Ich bringe ein besseres Mittagessen mit.«
7 Dreist
W enn sich eine Journalistin an eine andere wenden will, ist es die etablierte Vorgehensweise, zur Rezeption zu gehen und um ein Gespräch zu bitten. Noch besser ist es, vorher per Telefon oder E-Mail einen Termin auszumachen und die Betreffende zu einem Kaffee einzuladen. Und hätte ich mich an die etablierte Vorgehensweise gehalten, hätte ich Stunden, vielleicht Tage warten müssen, um ein paar einfache Fragen stellen zu können.
Es gehört zu den Vorteilen, die es mit sich bringt, eine kanadische Journalistin zu sein, dass Amerikaner nicht von einem erwarten, die Regeln zu kennen. Man ist wie ein Kleinstadtreporter in der Großstadt – solange man höflich und respektvoll bleibt, werden sie die reizende Ahnungslosigkeit der Provinzlerin entschuldigen.
Als ich das Redaktionsgebäude betrat, war die Rezeptionistin gerade am Telefon. Ich schlich mich um das Grünpflanzenarrangement herum in den Redaktionsflur. Dort kam ein Typ mit stacheligem rotem Haar und einer neongrünen Krawatte aus der Tür eines Büros, sah mich und blieb stehen. Er musterte mich kurz von oben bis unten und rückte die Krawatte zurecht.
»Kann ich helfen?«, fragte er mit einem Blick, der mir mitteilte, dass er es jedenfalls hoffte.
»Elena Michaels, Canadian Press.« Ich zeigte ihm meinen Ausweis. Er warf keinen Blick darauf. »Ich bin im Urlaub hier in Anchorage, und jemand hat mir von diesen möglichen Wolfsattacken erzählt, die Sie hier hatten. Ich habe mich gefragt, ob ich vielleicht mit Ms. Hirsch über ihre Zeitungsartikel zu dem Thema sprechen könnte. Das ist ein Thema, das unsere eigenen Leser sehr interessieren würde.«
Er hörte sich meine Nummer an und nickte an den richtigen Stellen, aber ich hatte den Eindruck, ich hätte auch Taser an der Haustür verkaufen können, und er hätte mich trotzdem zu Ms. Hirsch geführt.
Wir setzten uns in Bewegung. Er erkundigte sich, woher ich kam, wie lange ich bleiben würde, was ich bisher von Alaska gesehen hatte … ich hätte schwören können, dass wir an derselben Toilettentür schon dreimal vorbeigekommen waren, als wir beim vierten fast mit einem Mann zusammengestoßen wären, der gerade herauskam.
Mein Begleiter – Garth – blieb stehen und stellte mich dem Herausgeber als Besucherin und Journalistin vor. Wir waren noch beim Händeschütteln, als eine Frau aus der Damentoilette am anderen Ende des Gangs kam und in unsere Richtung sah. Garth rief: »Mallory!«, und winkte sie näher, während der Redakteur sich entfernte.
Auf die Entfernung hätte Mallory Hirsch als Ende zwanzig durchgehen können: kurzes blondes Haar, schlanke Figur und elegantes Kostüm. Doch mit jedem Schritt, den sie in unsere Richtung kam, schien sie ein paar Jahre älter zu werden. Als sie uns erreicht hatte, hätte ich sie auf Anfang vierzig geschätzt, und ihr angespanntes, ausdrucksloses Gesicht legte den Verdacht nahe, dass sie vor der Operation noch ein Jahrzehnt älter ausgesehen hatte.
»Ja?«, sagte sie; ihr Tonfall war so straff wie ihre Haut. Ihr Blick glitt über mich hin, nahm die Skijacke, die Stiefel und die Jeans mit offensichtlicher Missbilligung zur Kenntnis.
»Dies ist Elena Michaels«, sagte Garth. »Sie arbeitet für die kanadische Presse.«
» Canadian Press, Eigenname«, fügte ich hinzu. »Es ist eine Nachrichtenagentur, so wie Associated Press. Nur sehr viel
Weitere Kostenlose Bücher