Biss der Wölfin: Roman
kleiner.«
Garth lachte, zu laut für den sehr milden Scherz. In Mallorys Gesicht rührte sich kein Zug.
Ich zog meine Nummer zum zweiten Mal ab und erklärte noch zusätzlich, dass wir in den letzten paar Jahren Wolfsaktivitäten im Algonquin Park beobachtet hatten; ich wollte einen Zusammenhang herstellen für meine Arbeit über die Probleme, die sich aus der räumlichen Nähe von Menschen und Wölfen in einer stetig kleiner werdenden Welt ergaben. Ich hatte das Gefühl, es klang gut, aber nach dem ausdruckslosen Blick, mit dem sie mich anstarrte, hätte man meinen können, ich wäre ohne Vorwarnung zum Französischen übergegangen.
Als ich fertig war, sagte sie nichts, sah mich lediglich an, als wartete sie auf den Rest der Erklärung.
»Und also hab ich Elena gesagt, Sie könnten wahrscheinlich ein paar Minuten für sie …«, begann Garth.
Ihr Blick ließ ihn zurückzucken.
»Es sind wirklich nur ein paar kurze Fragen«, sagte ich. »Ich weiß, Sie müssen zu tun haben …«
»Garth? Sie können jetzt gehen.«
Er flüchtete.
Ich fuhr fort: »Vielleicht könnte ich Sie zum Kaffee oder zum Mittagessen einladen?«
»Ich habe schon gegessen. Sie sind also auf der Suche nach jemandem, der Ihnen Ihren Artikel schreibt, Ms. Michaels? Sie würden gern meine Artikel ausschlachten? Sich die lästige Recherche ersparen?«
»Ähm, nein … wie gesagt, ich habe nur ein paar Fragen, auf deren Grundlage ich mit meiner eigenen Untersuchung beginnen möchte. Und natürlich werde ich Ihnen alles mitteilen, was ich herausfinde.«
»Ihre eigene Untersuchung?«
Ich spürte förmlich, wie sie die Stacheln aufstellte. »Für meinen eigenen Artikel. Für meine eigenen Zeitungen. Ich habe mir die Gegend kurz angesehen, wo die Todesfälle passiert sind, aber …« Ich zwang mir ein Lächeln ab. »Es ist im Vergleich zu dem, was ich gewöhnt bin, eine sehr großräumige Landschaft. Wenn ich eine klarere Vorstellung davon hätte, wo es zu den …«
»Alles, was ich Ihnen sagen könnte, steht in meinen Artikeln. Ich gehe davon aus, dass Sie sie gelesen haben?«
»Ja.« Und was jetzt – willst du mich nach den Details fragen?
Sie trat einen Schritt zurück und musterte mich mit einem unverhohlen kritischen Blick. »Wie alt sind Sie, Ms. Michaels?«
»Ich komme nicht gerade frisch von der Uni, wenn es das ist …«
»Verheiratet, wie ich sehe. Kinder?«
»Zwei«, sagte ich vorsichtig.
»Noch klein, nehme ich an?«
»Ja, aber …«
»Eher ein Frischlufttyp?«, sagte sie, während ihr Blick meine Stiefel und die Jacke streifte.
»Das könnte man so sagen.«
»Anchorage ist der Traum jedes Naturliebhabers. Eine Stadt mit sämtlichen Annehmlichkeiten, nur einen Steinwurf entfernt von einer Wildnis voller Seen, Flüsse, Berge, Gletscher …«
»Es ist wirklich ziemlich atemberaubend«, sagte ich.
»Außerdem wärmer, als Sie erwartet hätten, möchte ich wetten. Keine Schneeverwehungen und Minusgrade …«
»Ich habe die Minusgrade schon erlebt, es war wirklich eine angenehme Überraschung.« Ich lächelte, aber an ihrem Ausdruck veränderte sich nichts. Worauf wollte sie mit dem Tourismusvortrag eigentlich hinaus? Würde sie als Nächstes versuchen, mir die Teilnutzungsrechte an einem Ferienhaus zu verkaufen?
Sie fuhr fort: »Gute Stadt. Alles, was man braucht, und dazu die wilde Natur in ihrer ganzen Schönheit direkt vor der Tür. Wirklich sehr geeignet für junge Eltern, die einen Umzug erwägen, sich überlegen, wo ihre Kinder aufwachsen sollen.«
»Umzug?«
»Aber zunächst brauchen Sie eine Stelle.«
»Stelle? Ich brauche keine …«
»Sie sind noch keine fünf Minuten hier im Gebäude und schütteln schon dem Herausgeber die Hand. Ich möchte wetten, Sie glauben jetzt, mehr ist auch gar nicht nötig, oder? Ein gottverlassener Ort wie Anchorage, da kann es doch keine echten Journalisten geben. Wahrscheinlich alles Hausfrauen, die schnell noch ihr Artikelchen raushauen, bevor die Kinder aus der Schule kommen. Sie können da einfach auftauchen, die dreiste kleine Kanadierin …«
»Dreist?«
»… und Sie glauben, für Sie wird sich schon was ergeben. Eine gute Stelle. Möglicherweise meine Stelle.«
»Äh, nein. Ich bin mir sicher, Anchorage ist eine tolle Stadt, aber ich habe schon ein Leben – woanders. Ich bin hier, weil ich gern über diese Wolfsrisse reden würde.«
»Ich glaube Ihnen aufs Wort, dass Sie das gern würden. Und ich habe nichts zu dem Thema zu sagen, das nicht in meinen
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