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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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sie mir Fragen – wo wir lebten, was wir beruflich trieben, ob wir Kinder hätten. Ich antwortete wahrheitsgemäß. Das ist eine der Regeln des Werwolflebens – die Wahrheit sagen, wann immer man kann, damit man bei den Lügen den Überblick behält.
    Clay sagte auf dem ganzen Weg nichts, aber er hielt ihr die Tür auf und passte seine Schritte ihren an. Auch das ist der Wolf in ihm – Nachsicht den sehr Jungen, Respekt den Alten gegenüber. Wenn ich ihn jetzt nur noch dazu bringen könnte, seine Einstellung den restlichen neunzig Prozent der Bevölkerung gegenüber etwas zu modifizieren.
    Der Hausverwalter war nicht in seinem Büro. Wir trafen ihn vor der Haustür an, wo er das Namensschildchen eines Mieters auswechselte. Die alte Dame – Lila – stellte uns vor, nahm dann ihre Post an sich und hastete davon, um die neue Ausgabe von People zu lesen.
    Charles, der Hausverwalter, war jünger, als ich erwartet hätte. Er schien mir etwa Mitte zwanzig zu sein, Ureinwohner, untersetzt und ein paar Zentimeter kleiner als ich.
    »Yep, fast eine Woche jetzt, genau wie Lila sagt.« Er klebte den Namen des neuen Mieters an seinen Platz. »In dem Laden hier kriegen wir fast nur gute Leute. Dennis ist einer von den Besten. Zahlt die Miete im Voraus, holt mich nie mitten in der Nacht wegen einem verstopften Klo aus dem Bett, erledigt die Reparaturen selbst, hat mir letzten Herbst sogar beim Wohnungstreichen geholfen, als der Student, den ich dafür angeheuert hatte, nicht aufgetaucht ist.«
    Er führte uns wieder ins Haus. »Ich sehe Dennis auch nicht jeden Tag, genau wie Lila, aber normalerweise rennen wir einander ein paarmal pro Woche über den Weg. Dann stehen wir rum und reden, oder er kommt noch mit rein, und meine Frau macht ihm Kaffee.« Charles lachte leise. »Mir macht sie kaum je Kaffee, es ist also ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie ihn mag.«
    »Wir haben Dennis schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen«, sagte ich, während er einen SpongeBob-Aufkleber von der Wand abzog, »wir wissen also nicht mehr so genau Bescheid. Er war ein Freund meines Schwiegervaters, früher, als Dennis noch im Osten gelebt hat.«
    Charles kratzte an dem Klebstoff herum, den der Aufkleber an der Wand hinterlassen hatte. »Wo im Osten?«
    »Damals war es im Staat New York«, sagte ich vorsichtig; ich hatte das Gefühl, auf Herz und Nieren geprüft zu werden, und wusste nicht, ob Dennis Charles die Wahrheit erzählt hatte.
    Aber Charles lachte auf – ich fuhr geradezu zusammen. »Ich hab’s gewusst. Ich hab’s gewusst! Meine Frau und ich haben zehn Dollar drauf gewettet – wir haben versucht, den Akzent einzuordnen. Ich hab gesagt New York, sie sagte New Jersey. Ich hab ihn immer fragen wollen, aber sie sagt, das wirkte zu neugierig.« Er warf einen Blick zu Clay hinüber. »Seid ihr mit Joseph befreundet?«
    Clay brauchte einen Moment, bis er Joseph mit Joey in Verbindung gebracht hatte. »Früher mal, als Jungen. Wir haben uns aus den Augen verloren, als sie hierher gezogen sind.«
    »Deswegen haben wir seine Adresse nicht«, erklärte ich. »Sonst würden wir hinfahren und ihn fragen.«
    »Mist. Ich hatte gehofft, ihr wüsstet die.«
    »Kommt er oft vorbei?«
    Charles schnaubte und nahm sich den nächsten Aufkleber vor. »Ich bin seit drei Jahren hier und habe ihn bloß ein paarmal gesehen. Es ist einfach nicht richtig. Sein Dad ist ein toller Typ. Redet dauernd von seinem Sohn, und der hat es nicht mal nötig, hin und wieder vorbeizukommen? Schäbig.«
    Also stellten Dennis und Joey sich nach wie vor als Vater und Sohn vor. Ich war mir da nicht sicher gewesen. Angesichts unseres langsamen Alterungsprozesses ist das ein Verwandtschaftsverhältnis, das Werwölfe häufig verbergen.
    »Hast du eine Ahnung, wo Dennis stecken könnte?«, fragte ich. »Lila sagt, er ist öfters nicht da.«
    »Er hat eine Hütte ungefähr dreißig Meilen südlich. Ist meistens ein paar Tage im Monat dort. Manchmal auch länger, aber wenn er so lang weg ist, dann sagt er mir vorher Bescheid, damit ich seine Post reinhole. Aber er könnte jetzt dort sein – darauf tippe ich. Eingeschneit wahrscheinlich.«
    Ich muss etwas alarmiert ausgesehen haben, denn Charles lachte. »Das ist hier draußen kein Grund, den Notdienst anzurufen. Wer wie Dennis eine Hütte irgendwo im Hinterland hat, ist auf so etwas eingerichtet. Wenn das Wetter schlecht wird, verkriecht man sich eben und wartet ab, gönnt sich das bisschen Ruhe. Telefon gibt es da

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