Biss der Wölfin: Roman
brach nicht ab, während wir uns unserem Ziel näherten. Als ich wieder einen Geruch auffing, blieb ich stehen.
»Werwolf. Wahrscheinlich Dennis.«
»Ist er hier draußen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist eine Fährte.«
Clay sog die Luft ein. »Ich riech’s nicht.«
Ich setzte mich wieder in Bewegung. »Sie ist schwach. Aber eine Fährte bedeutet, er war erst vor kurzem hier. Und das da vorn sieht mir nach einer Hütte aus.«
Clay spähte zu dem dunklen Umriss zwischen den Bäumen hinüber. »Kein Licht.«
»Hier draußen, wo man nicht mehr am Versorgungsnetz hängt, verbraucht man bestimmt nicht mehr Strom, als man muss.«
Das Mondlicht auf dem Schnee tauchte die Lichtung in ein Zwielicht. Wir sahen über die offene Fläche hin.
»Scheiße, ist das …?« Clay zwinkerte, als glaubte er, sich etwas einzubilden. Es war keine Einbildung. Die Schneefläche war kreuz und quer mit Wolfsfährten überzogen. Kein Quadratmeter der Lichtung war unberührt geblieben.
Ich ging noch ein paar Schritte weiter und bückte mich dann. »Ganz entschieden Wolf.«
»Das ist …«
»Merkwürdig.«
Er nickte zerstreut, aber wir wussten beide, dass dies nicht das richtige Wort war. Wenn man über die mit Pfotenabdrücken übersäte Schneefläche hinblickte, unmittelbar neben der Hütte eines Werwolfs, dann war das erste Wort, das einem dazu einfiel, falsch. Es war mehr als merkwürdig. Es war geradezu unnatürlich.
Wenn ein Wolfsrudel neu in die Gegend gekommen wäre und einen ortsansässigen Werwolf hätte herausfordern wollen, dann wären sie um die Hütte herumgeschlichen und hätten sich umgesehen. Möglicherweise hätte der Alpha die Hütte markiert, um eine Stellungnahme abzugeben. Doch hier sah ich Pfotenabdrücke jeder Größe, bis zu den Spuren von Einjährigen.
»Vielleicht waren es Schlittenhunde«, sagte ich.
Clay sah zu mir herüber.
»Dennis’ Nachbar könnte ein Team haben. Er kommt her, bindet sie an, während sie ein paar Gläser zusammen trinken, und sie fangen an, sich zu langweilen, und pirschen hier in der Gegend herum.«
»Und du riechst hier Hunde, Darling?«
Nein. Ich roch Wölfe.
Ich stieg auf die Bretterveranda vor der Hütte. Ich ging zum Fenster, um einen Blick ins Innere zu werfen, aber die Vorhänge waren zugezogen. Ich sah weitere Pfotenspuren auf dem Fensterbrett, als hätten die Wölfe das Gleiche versucht wie ich.
Unter dem Haar prickelte meine Kopfhaut. Ich zerrte die Mütze nach unten und rieb mir die eiskalten Ohrläppchen. Als ich mich abwandte, fing ich einen Geruch auf, bei dem mir der Atem stockte. Aber als ich einen tieferen Atemzug einsog, konnte ich ihn nicht mehr wahrnehmen.
Ich sah zu Clay hinüber, der an der Tür in die Hocke gegangen war und die Finger an ihrer unteren Hälfte entlanggleiten ließ; seine Fingerspitzen zeichneten grobe Furchen im Holz nach.
Klauenspuren. Die tiefen Kratzer waren noch voller Splitter. Frische Klauenspuren.
Clay richtete sich auf und hämmerte gegen die Tür. »Dennis? Ich bin’s, Clay.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Clayton Danvers.«
In der Hütte blieb es still. Ich ging wieder zum Fenster und versuchte, eine Spur von Licht am Rand der zugezogenen Vorhänge zu erkennen. Ich sah keine.
»Dennis?«, rief Clay. »Jeremy hat mich hergeschickt, ich soll bei dir vorbeischauen.«
Er hämmerte nachdrücklicher. Das Holz gab unter seiner Faust nach; die Tür trennte sich einen Spalt weit vom Rahmen, eben genug, um einen Schwall des Geruchs herauszulassen, den ich schon zuvor gerochen hatte.
»Mach auf«, sagte ich.
»Was?«
Ich packte die Klinke und rammte die Schulter gegen das Holz. Es krachte, und die Tür flog auf. Der Geruch kam mir als Woge entgegen, und ich torkelte zurück.
Ich konnte einen kurzen Blick auf das werfen, was sich im Inneren befand. Dann rannte ich zum Geländer der hölzernen Plattform hinüber, die Hände über dem Mund, die Zähne zusammengebissen, während meine Kehle sich verkrampfte.
Clays Hand legte sich mir in den Rücken.
»Sorry, ich …« Ich drehte mich zu ihm um. »Es tut mir leid.«
Er nickte, den Blick in den Wald hinaus gerichtet. Ich trat unsicher auf ihn zu. Seine Hände legten sich um meine Taille, und ich schob mich in seine Arme, drückte die Nase gegen seinen warmen Hals. Sein Griff um mich wurde fester. Eine Sekunde später ging ein zitternder Seufzer durch ihn hindurch.
»Bleib du hier draußen«, sagte ich. »Ich kümmere mich um …«
»Es ist schon okay. Es ist
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