Biss der Wölfin: Roman
hinunter. Es waren ganz entschieden keine Schaltpläne.
»Hobbys?«, fragte ich.
Clay zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Jeremy müsste es wissen. Warum?«
Ich hob mit der behandschuhten Hand ein Buch hoch. »Er scheint Folklore und Mythologie recherchiert zu haben. Das muss es auch gewesen sein, was er im Museum getrieben hat.«
Clay kam mit seiner Laterne zu mir herüber und griff nach einem Notizbuch, während ich in einem Stoß fotokopierter Buchseiten blätterte.
»Yeenaaldlooshii, Nagual, Wendigo …«, sagte ich. »Gestaltwandlermythen, vor allem uramerikanische. Überraschend eigentlich, dass er sich nicht an dich gewandt hat.«
Clay nahm mir die Papiere aus der Hand und warf einen genaueren Blick auf sie.
»Ich suche eine Tasche, und wir nehmen seine Arbeit mit.«
Er nickte, den Blick immer noch auf die Papiere gerichtet. Er hörte nicht auf zu lesen, bis ich sie ihm aus der Hand zog und in eine Segeltuchtasche schob, in der ich den Rest bereits untergebracht hatte.
»Was meinst du, was er da getrieben hat?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Vielleicht ein neues Hobby. Älter zu werden und nach Antworten zu suchen.« Er nahm mir die Tasche ab. »Wir sollten los.«
Ich nickte und zog den Vorhang zurück. Die nächtliche Szenerie draußen war leer. In meinem Rücken überprüfte Clay die anderen Fenster.
»Alles frei?«, fragte ich.
»Sieht so aus.«
Wir traten auf die Veranda hinaus, und ich holte tief Atem. Ich konnte die Wölfe immer noch riechen, ihr schwerer Geruch hing in der Luft, aber der Wald war still. Wir gingen am Waldrand entlang um die Lichtung herum.
»In die Nacht verschwunden«, murmelte ich. »Einfach bloß neugierig? Vielleicht waren sie an Dennis gewöhnt und sind deswegen bei unserem Geruch nicht nervös geworden.«
»Könnte sein.«
Clay sah prüfend in den Wald hinein, aber wir hörten nur das Wimmern des Windes.
»Gehen wir.«
12 Bestie
A ls wir die Einmündung des Pfades in die Lichtung erreichten, drehte Clay sich um und sah zur Hütte zurück. Ich folgte seinem Blick und entdeckte einen Motorschlitten, der am hinteren Ende der hölzernen Veranda geparkt war.
»Ein Auto war nicht da«, sagte ich.
Er sah mich an. »Was?«
»Ich habe nur gerade gedacht – Dennis muss mit einem Geländewagen zu dem Schuppen gefahren sein, wo er den Motorschlitten hatte, aber wir haben auf dem Fahrweg keinen gesehen. Wer ihn auch umgebracht hat, muss das Auto mitgenommen haben, wahrscheinlich damit keiner von den Nachbarn den Wagen dort stehen sieht. Meinst du, wir sollten mit dem Schlitten das Gleiche machen? Ihn wieder in den Schuppen stellen?«.
»Gute Idee, aber ich hatte eigentlich bloß an eine Möglichkeit gedacht, schneller hier rauszukommen. Ich will mich nicht auf einem Waldpfad erwischen lassen, wenn diese Wölfe zurückkommen.«
Wie auf ein Stichwort hin hallte ein Heulen durch die Nacht. Ein weiteres antwortete. Ich versuchte, die Richtung zu ermitteln.
»Mindestens eine Meile entfernt«, sagte ich. »Mit etwas Glück bleiben sie auf Abstand, aber wenn wir den Motorschlitten nehmen und wieder in den Schuppen stellen können, sollten wir’s tun.«
Wir kehrten in die Hütte zurück und suchten nach den Schlüsseln. Doch wir fanden nichts. Entweder die Mutts hatten für den Geländewagen den ganzen Schlüsselbund mitgenommen, oder wir hatten die Schlüssel in Dennis’ Hosentasche begraben.
Clay versuchte, den Motorschlitten kurzzuschließen. Lucas hatte ihm beigebracht, wie es ging – bei Autos –, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass Clay sehr aufmerksam zugehört hatte. Schließlich hatte er diese Fähigkeit noch nie zuvor gebraucht, und so hatte er nur aus Respekt vor Lucas zugehört. Clay hatte Lucas eine Menge beigebracht, und wenn Lucas sich seinerseits mit einem Stück nützlichen Wissens revanchieren wollte, dann hätte Clay niemals gesagt, dass er es nicht brauchte.
Nun allerdings hätte er es gebraucht, und an die Anleitung konnte er sich nur undeutlich erinnern.
Nach ungefähr zwanzig Minuten setzte er sich nach hinten auf die Fersen und knurrte das unkooperative Vehikel an. »Ich weiß noch, wie das bei Autos geht, und das Grundprinzip ist überall gleich, aber …« Wieder ein Knurren. »Maschinen. Ich bin viel besser darin, sie lahmzulegen, als sie anzuwerfen.«
»Ich bin schockiert.« Ich sprang von der hölzernen Plattform herunter. »Vergiss es. Bis wir das Ding in Gang gebracht haben, hätten wir bis zum Auto und wieder zurück laufen
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