Biss der Wölfin: Roman
als gäbe es die anderen nicht. Roman gehört zu den fortschrittlicheren Alphas. Wir waren nicht das erste Rudel, nach dem er seine Fühler ausgestreckt hatte, aber Jeremy war der erste Alpha, der die Kontaktaufnahme begrüßt hatte, und seither hatten sie ein paarmal telefoniert.
»Roman meint …«
»Wann kommt Mom nach Hause?«, fragte Logan. Seine Stimme war weit genug entfernt, um mir mitzuteilen, dass er die Anweisung befolgt und sich aufs Bett gesetzt hatte. Was das ruhige Abwarten anging … na ja, der Aspekt ruhig war lediglich impliziert gewesen, wie Clay jetzt gesagt hätte. Da er nicht ausdrücklich verlangt worden war, hatte es sich nicht um eine Anweisung gehandelt.
»In ein paar Tagen.«
»Du hast vor zwei Tagen in ein paar Tagen gesagt. Ein paar sind zwei. Also sollte sie jetzt heimkommen. Kommt sie heim?«
»Noch nicht. Und jetzt …«
» Wann kommt sie nach Hause? Ist Dad auch noch da? Warum müssen sie beide weg sein?«
»Ich weiß, dass du sie vermisst, aber sie haben wirklich zu tun. Sie wollen gern heimkommen und werden es tun, sobald sie können.«
»Kate!«, rief Logan.
Das ferne Getrampel von näher kommenden Schritten.
»Jeremy telefoniert gerade wieder mit Mom, Kate.«
»Mommy! Mommy! Mommy!«
Ich seufzte. Warum Theater machen und Ärger riskieren, wenn man seine Schwester dazu bringen konnte, das für einen zu übernehmen? Hinterhältiges kleines Stück. Wir würden uns darüber unterhalten müssen. Eine feste und sorgfältig formulierte Unterhaltung würde es sein müssen, in der er kein Schlupfloch finden konnte.
Jeremy, mittlerweile auch von Kate belagert, versuchte Jaime zu Hilfe zu holen, aber sie war offenbar nicht in Hörweite, also brachte er das Telefonat rasch zu Ende. Über Kates Gekreisch im Hintergrund hinweg verstand ich nur noch, dass er etwas von einem Anruf sagte – wahrscheinlich dass er sein Glück später noch einmal versuchen würde.
Ich versuchte zurückzurufen. Immer noch keine Reaktion. Ich hatte Jaimes Handynummer, aber das würde das Problem nicht lösen – die Kinder waren mit den beiden zusammen. Also hinterließ ich auf dem Anrufbeantworter zu Hause eine Nachricht, dass ich es später wieder probieren würde.
»Ich vermisse sie auch. Aber wir fahren nach Hause, sobald wir können.«
Ich blickte auf und sah Clay auf einen Ellbogen gestützt im Bett liegen und mich beobachten. Ich nickte, sagte aber nichts dazu, als ich das Telefon weglegte. Er streckte den Arm aus und betastete ein paar blaue Flecken an meiner Hüfte.
»Alles okay mit dir?«, fragte er.
»Das?« Ich brachte ein Lächeln zustande. »Das ist gar nichts. Ich bin mir sicher, ich habe bei dir Schlimmeres hinterlassen.«
»Du bist also in Ordnung? Nicht zu zerschlagen und zerschrammt?«
»Mir geht’s gut.«
»Gut.« Er hob mich hoch. »Der Wasserdruck in dem Laden hier ist das Letzte. Wir teilen uns die Dusche, und du wirst diesen Anruf vergessen.«
»Ist das ein Befehl?«
»Nein, das ist eine Herausforderung. Für mich. Und eine, der ich mich mit Vergnügen stellen werde.«
Wir frühstückten ein paar Straßenblocks weiter im Snow City Café. Ein Milchkaffee mit weißer Schokolade und Vanille; Kürbispfannkuchen mit Räucherlachs und Farmerwürstchen als Beilagen. Paradiesisch.
Sowohl auf dem Weg zum Café als auch auf dem Rückweg versuchte Clay, die Sprache auf das Problem zu bringen, das mir zu schaffen machte. Wieder hätte ich beinahe geantwortet. Wieder ließ mich die nötige Courage im Stich. Ein Brief von einem ehemaligen Pflegevater hatte nichts mit unserer aktuellen Situation zu tun – und allein zuzugeben, dass er mir nachging, hätte ihm zu viel Macht zugestanden. Wir konnten später noch darüber reden.
Um zwanzig Minuten vor neun standen wir in der Nähe von Joeys Bürogebäude und warteten darauf, dass er eintraf. Wir hatten auf der anderen Straßenseite unter der Markise einer Krabbenbude Position bezogen. Clays Gesicht war unbewegt, als er die Straße absuchte, aber ich wusste, was er empfand – einerseits fürchtete er die grausige Mitteilung, die er Joey machen musste, andererseits freute er sich darauf, seinen alten Freund wiederzusehen.
»Er kommt«, sagte ich, als ich im leichten Wind einen Werwolfgeruch auffing.
Clay fuhr herum und sah die Straße entlang. »Das dort ist er. Mit dem kahlköpfigen Mann und der älteren Dame.«
Hätten wir nicht nach Joey Stillwell Ausschau gehalten, hätte ich ihn nie bemerkt. Er verschmolz geradezu mit
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