Biss der Wölfin: Roman
Mutt begegnet, der dieses Bedürfnis hatte und der nach wie vor irgendwo dort draußen auf die Gelegenheit wartete, es ein zweites Mal zu versuchen.
Ich brauchte nur daran zu denken, und irgendwo in meinem Inneren war ich wieder zwölf Jahre alt und schauderte unter der Bettdecke, betete darum, dass er diese Nacht nicht kommen würde, und wusste zugleich, wenn er doch kommen sollte, dann gab es nichts auf der Welt, das ich dagegen tun konnte.
19 Schuldfrage
A ls sich die Tür des Lagerhauses öffnete, schrak ich zusammen. Clay schloss sie und blieb einen Moment stehen, mit dem Rücken zu mir, um sich zu sammeln, bevor er sich umdrehte und einen neutralen Gesichtsausdruck aufsetzte. Es fiel ihm nicht leicht, und er gab den Versuch bald auf; die Linien um seinen Mund und zwischen den Brauen wurden tiefer, sein Gesicht war bleich und angespannt. Ich sah Blutspritzer auf seinem T-Shirt und Hals. Ein einzelner Spritzer zog sich über die Wange. Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie er dort hingekommen war.
»Fertig?«, fragte ich.
»Beinahe. Er ist bewusstlos. Ich wollte bloß Bescheid sagen, bevor ich’s zu Ende bringe.«
»Hat er dir noch irgendwas geliefert?«
»Ein bisschen. Nicht genug.«
Dan hatte zugegeben, dass Tesler Dennis in einem Streit ums Territorium umgebracht hatte. Er hatte behauptet, Dennis hätte sie aufgesucht und ihnen gesagt, sie sollten aus Alaska verschwinden. Er hatte Tesler herausgefordert, es war zum Kampf gekommen, und Dennis hatte verloren. Schließlich hatte Tesler seine Leiche in der Kabine auf dem Stuhl festgebunden, um das Ganze nach einem schiefgegangenen Einbruch aussehen zu lassen.
Was Bockmist war. Dennis mochte seinen inneren Werwolf gesucht und gefunden haben, aber der innere Werwolf hätte nach wie vor nur einen einzigen Blick auf Teslers gigantischen äußeren Werwolf werfen müssen, um sofort in die entgegengesetzte Richtung zu rennen. Was wir an Dennis’ Leiche gesehen hatten, waren Folterspuren und keine Anzeichen für einen Zweikampf.
Als er darauf angesprochen wurde, hatte Podrova allerdings nur gelacht. Wurde er nicht gerade zu dem Zweck gefoltert, Informationen aus ihm herauszuholen? Was glaubten wir denn, was Tesler wollte? Doch was genau das war – da wurde er dann wieder sehr vage, aber er hatte ein paar Überlegungen angestellt. Die Kontodaten vielleicht, die Schlüssel für Dennis’ Geländewagen … Wenn Tesler schon Zeit damit verschwendete, den Typ umzubringen, dann würde er mit Sicherheit wenigstens dafür sorgen, dass etwas für ihn dabei heraussprang. Und leider klang das angesichts all dessen, was wir bisher von Tesler gesehen und gehört hatten, nur plausibel. Es war schwer einzuschätzen, wie ausgiebig Dennis gefoltert worden war, aber es hatte ausgesehen wie etwas, das gewöhnliche Kriminelle hätten tun können – einen Hausbesitzer festbinden und sich von ihm Zugangsnummern und Passwörter geben lassen, um seine Konten abräumen zu können.
Podrova gab auch zu, dass sie Kontakt zu Joey aufgenommen hatten. Sie ließen ihn in Frieden, weil sie eine Abmachung mit ihm hatten. Worin genau diese bestand – da hatte er keine Ahnung, das war Eddie Teslers Domäne. Offenbar war der kleine Bruder das Hirn der Organisation, was mich nicht weiter überraschte; Roman hatte gesagt, die Bande sei schlau, und Travis Tesler war mir nicht vorgekommen wie ein großer Denker. Podrova wusste nur, dass Joey vorläufig unantastbar war.
Podrova hatte außerdem zugegeben, dass sein Rudel für die Wolfsrisse verantwortlich war. Na ja, jedenfalls für den ersten. Einer der anderen Rudelangehörigen hatte den Mann umgebracht, was auch der Grund war, warum man ihn weggeschickt hatte – zur Strafe. Eddie erlaubte keine Menschenfresserei. Ebenso wie die Vergewaltigungen hatten derlei Übergriffe das Potenzial, einen sesshaften Lebensstil zu untergraben.
Was die beiden anderen Opfer anging, so wusste Podrova von nichts. Ja, einer von ihnen war in der Nähe der Stelle gefunden worden, wo sie sich meist wandelten, bevor sie rennen gingen; eine Stelle, die weit von ihrer Hütte entfernt war – auch das etwas, worauf Eddie bestand. Aber keiner von ihnen wusste, warum ein Mensch in genau dieser Gegend umgekommen sein sollte, allem Anschein nach umgebracht von großen Hundewesen.
Clay hatte den Verdacht, dass Podrova selbst für die beiden verbleibenden Todesfälle verantwortlich war, dass er im Alleingang gehandelt und die Sache geheim gehalten hatte, um nicht
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