Biss der Wölfin: Roman
waren und immer noch nicht wussten, dass es in der Stadt noch einen weiteren Werwolf gab.
Doch an diesem Punkt hüllte Podrova sich in Schweigen. Er kannte Dennis nicht. Und diese Männer, die da im Wald ermordet worden waren? Die kannte er auch nicht. Wölfe hatten sie umgebracht, das hatte er jedenfalls gehört. Und was die Mädchen anging? Okay, ja, Tesler hatte üble Angewohnheiten, aber das tat er nicht mehr, nicht seit dem Ärger, den sie zu Hause deswegen gehabt hatten.
Dennis war also von Werwölfen umgebracht worden, drei Männer waren von Wölfen zerrissen worden, und drei Mädchen waren verschwunden – und all das, seit dieses Miniaturrudel in die Stadt gekommen war. Und mit keiner Sache hatten sie irgendetwas zu tun.
Clay zog mich zur Seite.
»Du musst Schmiere stehen«, sagte er.
»Ich weiß, was du jetzt zu tun hast, Clay.«
»Yeah, aber du musst nicht dabei zusehen.«
»Ich glaube aber schon, wenn ich Alpha sein soll. Jeremy spielt seine Rolle. Er übernimmt die Führung und stellt die Fragen.«
»Vielleicht, aber nach all den Jahren brauche ich keine Aufsicht mehr. Ich weiß, was du von ihm willst. Ich kriege es aus ihm raus. Wenn ich noch Fragen habe, komme ich zu dir raus und frage dich.«
»Ich muss aber sehen …«
»Aber ich brauche es nicht, dass du das siehst.«
Ich fing seinen Blick auf und verstand. Es ging hier nicht nur um mich. Alpha oder nicht, ich war immer noch Clays Gefährtin, und dies war eine Seite an ihm, die er mir nicht unbedingt zeigen wollte. Als Beta und Alpha würden Clay und ich niemals eine Neuauflage von Clay und Jeremy sein. Wir sollten gar nicht versuchen, es zu sein. Wenn es zwischen uns beiden funktionieren sollte, musste ich das im Gedächtnis behalten.
Also stand ich Schmiere. Was Clay tat, brauchte seine Zeit – und gerade jetzt war das Zeit, die ich eigentlich nicht in meiner eigenen Gesellschaft verbringen wollte, in meinen Gedanken verloren, der Erinnerung an Travis Tesler und das, was er mir hatte antun wollen.
Zwanzig Jahre lang war ich die einzige Werwölfin in einer Welt von Männern gewesen, die Frauen nicht als Mütter und Schwestern und Freundinnen betrachteten, sondern als Mittel zur Befriedigung zweier Grundbedürfnisse: Sex und Fortpflanzung. Die einen sahen mich und wünschten sich etwas, das sie nicht haben konnten – eine Partnerin, eine Gefährtin, eine Frau, die sie verstehen und akzeptieren und ihr Leben zur Gänze teilen konnte. Manche spürten einen anders gearteten Wunsch – sich an Clay zu rächen dafür, dass er das Rudelgesetz durchsetzte, oder in der Hierarchie aufzusteigen, indem sie den Mann auf der zweitobersten Sprosse der Leiter verletzten.
Nach all den Jahren und all den Auseinandersetzungen hätte eine versuchte Vergewaltigung doch ein Alltagsproblem sein sollen. Ich hätte mich wieder und wieder damit befasst haben sollen, bis ich die Dämonen meiner Kindheit irgendwann ausgetrieben hatte und die alten Wunden vernarbt waren, hart und undurchdringlich. Aber so war es nicht.
Es hatte ein paar halbherzige Versuche gegeben – Mutts, die von Natur aus eigentlich keine Vergewaltiger waren, die aber geglaubt hatten, dies sei eine einfache Methode, Clay eins auszuwischen. Mehr ein Eigentumsdelikt als ein Sexualverbrechen. Es war nie allzu viel körperliche Gewalt erforderlich gewesen, um sie eines Besseren zu belehren, und ich hatte mich nie ernsthaft bedroht gefühlt.
Was den Rest anging, so träumten sie von Sex, nicht von Vergewaltigung, von verschwitzten Nahkämpfen, Bissen, die sich zu harten Küssen wandelten, Hieben, aus denen rohes Tasten und hungrige Liebkosungen wurden. Wechselseitiger, leidenschaftlicher Sex – mit weniger hätte sich ihr Ego nicht zufriedengegeben. Sie wollten mir zeigen, dass sie bessere Gefährten abgegeben hätten als Clay, bessere Liebhaber, bessere Partner, ganz sicher weniger unberechenbare. Wenn die Verführungsversuche fehlschlugen, ließen die meisten von ihnen es dabei bewenden, und danach hatte ich nur noch mit den verblendeten Ausnahmen zu tun, die sich einbildeten, es sei nur eine Frage der Zeit, bis ich die Wahrheit erkannte.
Zwanzig Jahre lang hatte ich Illusionen zerstört. Illusionen von Rache, von Liebe, von Sex. Diese Männer hatten sich niemals einer Frau – einer gewöhnlichen Menschenfrau – gegenüber unterlegen gefühlt und hatten dem entsprechend auch niemals das Bedürfnis gehabt, ihre Überlegenheit unter Beweis zu stellen. Aber jetzt war ich einem
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