Biss der Wölfin: Roman
geirrt haben. Vielleicht war unser Geruchssinn nicht so gut, wie wir glaubten.
Weiter zu Reese dann also. Nein, er hatte niemals einem jungen Werwolf in einem Museum die Finger abgeschnitten, konnte Museen generell nicht ausstehen. Und er war auch nicht Zeuge irgendwelcher Fingerabschneidaktivitäten geworden. Was die Frage anging, warum wir seine Witterung dort gefunden hatten, er hatte keine Ahnung. Vielleicht hatte ein anderer Werwolf in Anchorage einen ähnlichen Geruch. Vielleicht war das ja auch der Werwolf, den wir in Dennis’ Hütte gerochen hatten. Werwölfe riechen irgendwie schon alle ziemlich ähnlich, wisst ihr.
Wie sah es also mit dem Eindringen in unser Hotelzimmer und dem in unserem Bett hinterlassenen Souvenir aus? Nee, er doch nicht. Tesler hatte zugegeben, dass sie dort gewesen waren? Ach so, das könnte es erklären. Tesler war verrückt. Er, Dan, würde es dem Typ durchaus zutrauen, dass er den alten Mann einfach zum Spaß umgebracht, diesem Jungen die Finger abgeschnitten und sich in meiner Wäsche einen runtergeholt hatte.
Aber wir hatten doch gar nicht erwähnt, dass der ermordete Werwolf alt gewesen war und wo wir die zweite Hinterlassenschaft gefunden hatten? Doch, mussten wir wohl. Woher hätte er denn sonst davon wissen sollen?
Dan war vielleicht nicht sonderlich intelligent, aber er war hartnäckig. Und er mochte keine Hemmungen haben, gegen seinen Anführer auszusagen, aber er würde den Teufel tun und zugeben, selbst irgendetwas getan zu haben. Immerhin, wie um seine Nützlichkeit zu erweisen, bot er uns an, uns die vollständigen Informationen über die Teslers zu liefern, wenn wir ihn wie Reese in Schutzhaft nehmen würden. Als wir daraufhin nichts sagten, schien er das als Zustimmung zu werten.
Romans Vermutungen bestätigten sich: Die Tesler-Brüder – Travis und Eddie – hatten den größten Teil ihres Lebens in der Ukraine verbracht. Dort war ihr Vater geboren, der später in die Vereinigten Staaten ausgewandert war und sich als Farmer versucht hatte. Als das fehlschlug, war er nach Hause zurückgekehrt und hatte seine beiden kleinen Söhne mitgenommen. Jahre später hatten sie dort unseren Mutt getroffen, Danya Podrova.
Die Geschichte, die Podrova erzählte, war nahe genug an Romans Informationen, dass wir wussten, er versuchte zumindest, die Wahrheit zu sagen. Die Teslers hatten eine kleine Bande angeführt, die im östlichen Europa herumzog, wobei sie das Territorium des russischen Rudels allerdings mied. Natürlich waren die Russen in Podrovas Version der Geschichte eine Bande von Schlägern, die sie zu einem Leben auf der Flucht gezwungen hatten, obwohl sie eigentlich nur sesshaft werden und ihren Geschäften nachgehen wollten. Und die genaue Natur dieser Geschäfte? Waffenschieberei, wie er bereitwillig zugab; er erbot sich sogar, dem amerikanischen Rudel beim Aufbau seiner eigenen Geschäftsbeziehungen zu helfen.
»Sehr gutes Geld«, erklärte er. »Jede Menge Orte, wo sie Waffen brauchen. Zahlen gutes Geld.«
Und so hatte die Tesler-Bande ein Wanderleben in Osteuropa geführt und neue Mitglieder rekrutiert, wo sie sie fand. Dann hatten sie Ärger bekommen, Travis Teslers übler Gewohnheiten wegen.
»Er mag die Mädchen. Er mag die Mädchen, die nicht unbedingt ihn mögen, wenn ihr versteht.«
Oh, ich verstand durchaus.
Podrova spielte Teslers Probleme mit den Ordnungshütern herunter. Sie hatten sowieso einen Standortwechsel vorgehabt, erklärte er. Eddie hatte Anchorage recherchiert, weil er glaubte, es könnte sich als stabile Ausgangsbasis eignen. Eine Hafenstadt in der wildesten Provinz, weit genug vom amerikanischen Rudel entfernt, dass man sie wahrscheinlich gewähren lassen würde.
Im Augenblick waren nur Podrova und die Brüder hier, um sich in Anchorage zu etablieren. Zwei weitere Bandenmitglieder waren geschäftlich unterwegs, um Handelswege in den südlicheren Vereinigten Staaten zu eröffnen. Und ganz wie Roman vermutet hatte, waren die übrigen Werwölfe zunächst zurückgeblieben und warteten darauf, dass die Brüder hier eine Basis aufbauten. Dazu gehörte allem Anschein nach auch, alle anderen ortsansässigen Werwölfe aus dem Weg zu räumen.
Das erklärte, warum sie Dennis umgebracht hatten, nicht aber, warum sie ihn zuvor gefoltert hatten. Und was war mit Joey? Wenn man bedachte, wie schnell diese Mutts bereit gewesen waren, auf Reese und dann auf uns loszugehen, dann kam es uns unwahrscheinlich vor, dass sie seit über einem Monat hier
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