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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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geglaubt hat. Er hatte die Fotos gesehen. Er hat drauf bestanden, dass es mit Photoshop gemacht wäre.«
    »Vor über dreißig Jahren? Bestätigt ein Stück weit das mit dem einen Satz Hirnzellen, meinst du nicht auch?«
    »Aber er ist nicht der Einzige. Die Dinge haben sich verändert. Als wir angefangen haben, zusammenzuarbeiten, du und ich, sind die Mutts vor uns weggerannt, sobald sie raushatten, wer ich war. Dann haben sie sich angewöhnt, noch ein bisschen zu bleiben, es vielleicht auf ein, zwei Schläge ankommen zu lassen, meine Reputation zu überprüfen. Heute ist mehr als die Hälfte aller Mutts im Land jünger als diese Fotos. Ich bin der Schwarze Mann ihrer Väter, nicht mehr ihr eigener. Jungen wie Cain sehen keinen Grund, wegzurennen, bevor ich ihnen nicht einen gebe. Und das war in Ordnung so … bis das hier passiert ist.«
    Er hob den Arm.
    »Und? Sogar mit deinem Arm kannst du dir Typen wie die – halb so alt und doppelt so groß wie du – noch vornehmen, und der Ausgang ist immer klar.«
    »Aber vor zehn Jahren noch wäre es gar nicht nötig gewesen, dass ich sie mir vornehme. Ich hätte mir keine Gedanken machen müssen, Cain könnte dich stalken. In dem Moment, in dem ihm aufgegangen wäre, dass du mit mir zusammen bist, hätte er im nächsten Zug gesessen. Aber jetzt, du im Begriff, Alpha zu werden, die Kinder, die älter werden … Ich will nicht immer wieder beweisen müssen, dass ich meinen Ruf nach wie vor verdiene. Das war der springende Punkt, als ich …«
    Er ließ den Satz verklingen. Der springende Punkt bei was?, wollte ich schon fragen, und dann ging es mir auf. Dies war der Grund dafür gewesen, was Clay mit siebzehn Jahren getan hatte – einen Mutt zu sezieren, der noch am Leben war, und Fotos davon zu machen. Ich wusste, es war nicht so grausig, wie es sich anhörte – der Mutt war narkotisiert und die ganze Zeit nicht zu sich gekommen; er starb, bevor er wusste, was passiert war. Es war nicht darum gegangen, diesen einen Mutt zu foltern, sondern darum, andere Mutts davon zu überzeugen, dass Clay ihn gefoltert hatte und dass ihnen, wenn sie Jeremy zu nahe kamen, das Gleiche passieren würde.
    Und als ich verstanden hatte, was Clay meinte, verstand ich auch wirklich, was er meinte.
    »Du überlegst … du überlegst dir, ob du’s noch mal machen sollst.«
    Ich hätte den Mund halten sollen, bis ich meinen Tonfall unter Kontrolle hatte. Ich hatte gerade erst aufgehört zu schmollen, weil Clay hatte durchblicken lassen, dass dies zu viel für mich sein könnte, und jetzt flüsterte ich die Worte in tonlosem Entsetzen und bestätigte ihm, dass genau das der Fall war. Ich wollte es ein zweites Mal versuchen, nachdrücklicher, sachlicher, um ihm zu beweisen, dass er sich geirrt hatte. Nur – er hatte sich nicht geirrt.
    Mein rationaler Verstand wusste, damit, dass er einen einzelnen Mutt auf fürchterliche Art umbrachte, hatte Clay Jeremy über dreißig Jahre lang schützen können und zugleich jedem einzelnen Mutt das Leben gerettet, der andernfalls nach Stonehaven gekommen wäre, um ihn herauszufordern.
    Aber emotional reagierte ich wie ein kleines Mädchen, das die Augen zusammenkniff und sich beide Ohren zuhielt. Ich wollte es nicht sehen, wollte nichts darüber hören, wollte nicht daran denken müssen. Und ich wollte ganz sicher nicht darüber nachdenken, dass Clay es noch einmal tun könnte.
    »Es ist nicht wichtig«, sagte er nach einer Minute. »Im Moment nicht. Ich hätte es gar nicht zur Sprache bringen sollen.«
    »Aber es macht dir zu schaffen.«
    »Es beschäftigt mich, aber es ist nicht so, dass es mich verrückt machte. Wir haben morgen eine Menge zu erledigen, wir sollten lieber schlafen.«
    Er legte sich wieder hin. Als ich es nicht tat, zog er mich neben sich und legte sich zurecht, eine Hand auf meiner Taille, die andere zwischen uns; sein Daumen strich über mein Schlüsselbein.
    »Als du … es getan hast«, sagte ich. »Jeremy hat nicht vorher Bescheid gewusst, oder?«
    »Nein. Kein Grund, ihm das zu erzählen, und viel besser, es nicht zu tun.«
    Besser? Oder nur einfacher? Wir lagen einen Moment lang schweigend nebeneinander, die Augen nach wie vor offen.
    »Ich …«
    Ich hatte sagen wollen »Ich will es wissen«, aber tat ich das? Tat ich das wirklich? Was würde ich sagen? Dass ich sämtliche Details im Voraus wissen wollte? Dass ich ihm helfen wollte, es zu planen? Ihm helfen wollte, es durchzuführen? Mein Magen verkrampfte sich.
    Auch

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