Biss sagt mehr als tausend Worte
Schritte wie ein alter Mann, weil er
so geschwächt war. Vielleicht sollte er in ein Restaurant gehen, sich Tee und Nudeln bestellen und dort sitzen bleiben, bis er wieder bei Kräften war. Danach würde er eine bessere Möglichkeit finden, das verbrannte weiße Mädchen zu versorgen.
Er sprach nur ein paar Worte Kantonesisch, obwohl er seit vierzig Jahren in der Nähe von Chinatown lebte. Es waren die gleichen zehn Wörter, die er auf Englisch beherrschte. Seinen Schülern im Dojo erklärte er, es liege daran, dass Bushido und die japanische Sprache untrennbar miteinander verwoben seien, aber in Wahrheit lag es daran, dass er stur war und nicht gern mit Leuten redete. Seine Worte waren: Hallo, Auf Wiedersehen, Ja, Nein, Bitte, Danke schön, Okay, Verzeihung und Leck mich am Arsch. Allerdings hatte er sich vorgenommen, die letzten vier Wörter nur in Verbindung mit Bitte und/oder Danke zu sagen, und er hatte diese Regel nur ein Mal gebrochen, als ihm ein Raufbold im Tenderloin sein Schwert wegnehmen wollte und Okata vergaß, Bitte zu sagen, bevor er dem Mann mit der Scheide seines Katana den Schädel einschlug. Verzeihung , hatte er gesagt.
Es war schon über eine Woche her, seit Okata im Dojo in Japantown gewesen war. Seine Schüler dachten sicher, er stellte sie auf die Probe, und wenn es an der Zeit war, sich ihnen wieder zu widmen, würde er ihnen durch seinen Dolmetscher sagen, sie sollten sitzen lernen. Sie sollten Geduld lernen. Lernen, nichts zu erwarten. Erwartung war Verlangen, und lehrte Buddha nicht, Verlangen sei der Grund für alles Leid? Danach würde er jeden Einzelnen von ihnen mit dem Bambus- shinai durchprügeln, als Lektion in Leid. Danke schön.
Er hatte für chinesisches Essen nicht viel übrig, doch Japantown war zum Laufen zu weit, und in seiner Nachbarschaft waren die japanischen Restaurants zu teuer. Und Nudeln sind Nudeln. Er wollte gerade so viel essen, dass er wieder zu Kräften kam, dann wollte er einen Fisch kaufen, vielleicht auch etwas Rindfleisch, um wieder zu Blut zu kommen, alles mit nach Hause nehmen und dort zubereiten.
Nachdem er drei Schalen Soba geschlürft und eine Kanne grünen Tee in einem Restaurant namens Soup zu sich genommen hatte, machte er sich auf den Weg zum Schlachter. In der Nähe des alten Mannes, der auf einer Kiste saß und seine Gaohu spielte, eine zweisaitige Bassgeige, die sich in etwa so anhörte, als malträtierte jemand eine Katze, kam der Schwertkämpfer an zwei Polizisten vorbei, die stehen geblieben waren, als überlegten sie, ob sie dem alten Mann Geld geben sollten oder ob es für alle Beteiligten besser wäre, wenn sie ihn einfach mit dem Elektroschocker ruhigstellten. Sie lächelten und nickten Okata zu, und er lächelte zurück. Sie amüsierten sich ein wenig über den kleinen Mann mit der zu kurzen karierten Hose, den orange leuchtenden Socken und dem orangefarbenen Pork-Pie-Hut, den sie schon seit ihrer Kindheit in der Stadt herumlaufen sahen. Es kam ihnen nie in den Sinn, dass er irgendetwas anderes als ein exzentrischer Penner sein könnte oder dass der Gehstock, mit dem er seine entspannten Schritte maß, gar kein Gehstock war.
Einiges Deuten und ausgeprägte Pantomime waren nötig, bis der chinesische Schlachter verstand, dass er Blut kaufen wollte, doch als er es dann begriffen hatte, stellte Okata zu seiner Überraschung fest, dass es nicht nur verfügbar war,
sondern sogar in diversen Geschmacksrichtungen: Schwein, Huhn, Kuh und Schildkröte. Schildkröte? Nicht für sein verbranntes weißes Mädchen. Wie konnte der Schlachter es wagen, ihm so etwas auch nur vorzuschlagen? Sie sollte Rind bekommen und vielleicht ein, zwei Liter Schwein, denn Okata hatte gelesen, dass die Kannibalen auf den Pazifikinseln Menschenfleisch »Langschwein« nannten, sodass Schweineblut vielleicht eher nach ihrem Geschmack wäre.
Der Schlachter klebte die Deckel auf acht Ein-Liter-Plastikeimer mit allem Nicht-Schildkröten-Blut, das er hatte, dann stapelte er sie vorsichtig in eine Einkaufstüte und reichte sie einer Frau an der Kasse. Okata zahlte ihr den Betrag, den die Kasse anzeigte, nahm die Tüte und steckte gerade sein Wechselgeld ein, als ihm jemand auf die Schulter tippte.
Er drehte sich um. Keiner da. Dann suchte er weiter unten: eine etwas kurz geratene chinesische Großmutter im Gangsta-Outfit, in der sie ein wenig wie ein Hip-Hop-Yoda aussah. Sie sagte etwas auf Kantonesisch zu ihm, dann sagte sie etwas zu dem Schlachter, dann zu der
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