Biss sagt mehr als tausend Worte
Typ, dem man nicht trauen kann!«
»Ich nehme sie mit. Ohne Rückendeckung geh ich da nicht hin. Habt ihr noch nie einen Horrorfilm gesehen? In dem Moment, in dem sich die Gruppe aufteilt und einer allein weitergeht, schlägt das Monster zu.«
»Ich dachte, in diesem Film bist du das Monster«, sagte Fu.
»Nur wenn du nicht tust, was ich dir sage«, zischte Tommy ein wenig überrascht, so etwas aus Fus Mund zu hören. »Weck sie auf, Fu!«
Jody
Das Letzte, woran sich Jody erinnerte, bevor sie in Flammen gestanden hatte, waren orangefarbene Socken gewesen. Und da waren sie wieder, leuchteten wie Strümpfe aus der Straßenmeisterei, unten an einem kleinen blutverkrusteten Mann, der sich an einer Art Arbeitsplatte zu schaffen machte.
»Na, wenn du nicht lecker aussiehst…«, sagte sie und erschrak beim Klang ihrer eigenen Stimme: trocken, schwach und alt.
Der kleine Mann fuhr herum, zuckte zusammen, doch dann verneigte er sich und sagte etwas auf Japanisch, schließlich »Verzeihung« auf Englisch.
»Schon okay«, sagte sie. »Ich wache nicht zum ersten Mal in der Wohnung eines fremden Mannes auf und weiß nicht mehr, wie ich dahingekommen bin.« Allerdings war es —soweit sie sich erinnerte — das erste Mal, dass sie am Ende einer solchen Nacht in Flammen aufgegangen war. Bevor es so weit gekommen war, hatten ihre Arbeitskolleginnen sie sich in der Mittagspause zur Brust genommen und ihr offen und ehrlich — wie wahre Freundinnen — erklärt, sie sei eine versoffene Schlampe, die ihnen jeden Freitag bei der After-Work-Party die heißesten Typen wegschnappte, und dass sie
endlich mit dem Scheiß aufhören sollte. Was sie daraufhin auch tat.
Zwar war sie nicht minder verstört als früher, doch im Gegensatz zu damals kam es ihr nicht in den Sinn, sich zu fürchten.
Der kleine Japaner verneigte sich erneut, dann nahm er ein eckiges Messer von seiner Werkbank und trat scheu an sie heran, wobei er zu Boden blickte und irgendetwas sagte, das sich sehr nach einer Entschuldigung anhörte. Jody hob eine Hand, um ihn zu verscheuchen, und sagte: »Hey, bleib, wo du bist, Cowboy!«, doch als sie ihre Hand sah, diese aschgraue, vertrocknete Klaue, blieben ihr die Worte im Hals stecken. Auch der kleine Mann hielt inne.
Ihre Arme? Ihre Beine? Sie hob den Kimono an… ihr Bauch, ihre Brüste… sie war geschrumpft wie eine Mumie. Die Anstrengung erschöpfte sie, und sie sank aufs Kissen.
Der kleine Mann schlurfte näher und hielt seine Hand hoch. Der Daumen war bandagiert. Sie sah, wie er den Verband löste und die Messerspitze an die Wunde hielt. Sie nahm die Hand, in der er das Messer hielt, und drückte sie sanft nach unten.
»Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Nicht.«
Sie konnte sich nicht vorstellen, wie ihr Gesicht aussehen mochte. Ihre Haare waren wie sprödes, rotes Stroh. Wie hatte sie wohl ausgesehen, bevor er das für sie getan hatte, bevor er es offensichtlich schon zu oft getan hatte.
»Nein.«
Als er ihr nah war, roch sie das Blut an ihm. Es war nicht menschlich. Schwein. Es roch nach Schwein, auch wenn sie nicht wusste, woher sie es wusste. Zu ihren besten Zeiten
hätte sie Blut selbst bei jemandem gerochen, der auf der Straße an ihr vorüberlief. Sie hatte nicht nur ihre Kraft verloren. Ihre Sinne waren fast so stumpf wie damals, als sie noch ein Mensch gewesen war.
Der kleine Mann wartete. Er hatte sich verneigt, kam jedoch nicht wieder hoch. Moment mal… Er hatte den Kopf abgewendet, hielt ihr seinen Hals hin. Er bückte sich, damit sie trinken konnte. Da er wusste, was sie war, gab er sich ihr hin. Sie berührte seine Wange mit dem Rücken ihrer Hand, und als er aufblickte, schüttelte sie den Kopf. »Nein. Ich danke Ihnen. Aber nein.«
Er stand auf, sah sie an, wartete. Sie schnüffelte am trockenen Blut an ihrer Hand, leckte daran. Das kannte sie. Sie schmeckte etwas Klebriges — ja, es war Schweineblut. Der Hunger schnitt durch ihre Eingeweide, doch sie rang ihn nieder. Offenbar hatte er ihr sein eigenes Blut gegeben, aber außerdem auch Schweineblut. Seit wann? Wie weit hatte er sie fortgeschafft?
Sie bedeutete ihm mit einer Geste, dass er Zettel und Stift holen sollte. Er brachte ihr seinen Skizzenblock und einen breiten, viereckigen Zimmermannsbleistift. Sie zeichnete eine Karte vom Union Square, dann ein Strichmännchen mit Brüsten, und notierte Zahlen, viele Zahlen, ihre Kleidergrößen. Was war mit dem Geld? Bestimmt hatte Rivera ihre Sachen aus dem Hotel
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