Biss sagt mehr als tausend Worte
Jeff.
Keks, bitte, bellte Marvin. Sie hatten eine Vereinbarung: Als Entgelt für seine erfolgreiche Suche nach Toten soll der Leichenspürhund — fürderhin Marvin genannt — einen Keks erhalten . Die Regelung barg jedoch einiges an Flexibilität, und Marvin begriff, dass sie in diesem Fall nicht nach toten Menschen suchten, sondern nach toten Katzen, und dass er die —trotz ihrer angeborenen Schmackhaftigkeit – nicht fressen durfte. Keks, wiederbellte er. Wo blieb sein Keks? Seit Monaten hatte er schon keine Toten mehr aufgespürt. (Nun, zumindest
kam es ihm so vor. Marvin hatte kein besonders gut ausgeprägtes Zeitgefühl.)
»Mach auf!«, sagte Troy Lee. »Wir geben euch Deckung.«
Rivera und Cavuto traten an den Schuppen heran, der aus Aluminium war und ein Dach in Form einer altmodischen Scheune hatte. Die Barbaren stellten sich im Halbkreis auf und richteten ihre Waffen auf den Schuppen. (Als sie merkte, dass es keine Böller geben würde, war Oma Lee zu Hause geblieben, um sich im Fernsehen Wrestling anzugucken.)
»Bei drei …«, sagte Rivera.
»Moment!«, sagte Cavuto. Er wandte sich Gustavo zu. » No fuego. Comprende? Stell bloß nicht deinen verdammten Flammenwerfer an!«
» Si «, sagte Gustavo. Sie hatten den Flammenwerfer auf dem Basketballplatz in Chinatown ausprobiert. Das Ding hatte einen ziemlich kurzen, breiten Strahl. Mit anderen Worten: Wenn Gustavo ihn in der engen Straße zum Einsatz brachte, würde er sie vermutlich alle grillen.
Barry drehte sich um und besprühte das Zündflämmchen des Flammenwerfers mit etwas Vampirkatzen-Mixtur. Es erstarb mit einem Zischen. »Okay, los!«
»Dann bei drei«, sagte Rivera. Alle hoben ihre Waffen an.
»Eins«, sagte Rivera nickend zu Cavuto und griff nach dem Schalter seiner Jacken-LEDs.
»Zwei.« Troy Lee ging in die Hocke und richtete seinen Super Soaker mitten auf die Doppeltüren, bereit, in alle Richtungen loszuballern. Cavuto zückte seine Desert Eagle, spannte den Hahn und entsicherte sie mit dem Daumen.
»Drei!«
Die Cops rissen die Türen auf und knipsten ihre Jacken an. Die Barbaren beugten sich hinein.
Sechs überraschte Kätzchen und deren Mutter blickten aus einem kleinen Karton auf. Ansonsten standen da nur Kanister mit Reinigungsmittel.
Alle sahen sich um. Keiner sagte was. Die Barbaren ließen ihre Waffen sinken. Die Cops knipsten ihre Jacken aus.
»Das ist jetzt aber eher peinlich«, sagte Troy Lee.
Keks, bellte Marvin.
Alle sahen Marvin an. »Versager!«, sagte Cavuto. »Das sind ganz normale Katzen.«
Marvin begriff nicht. Er war der Spur gefolgt und hatte Zeichen gegeben, als er zum Ende der Spur kam. Wo blieb sein Keks?
»Böser Hund, Marvin!«, sagte Lash.
Marvin knurrte ihn an, dann wandte er sich Rivera zu und bellte: Keks. Er war kein böser Hund. Er konnte nichts dafür, dass ihm keiner beigebracht hatte, wie man nach oben zeigte. Er konnte nichts dafür, dass sie nicht nach oben sahen, über den Schuppen hinaus, die Hauswand hinauf, zum Dach, vier Stockwerke hoch. Hörten sie denn nichts?
Keks, bellte er.
Chet
Chet beobachtete die Vampirjäger direkt unter ihm. Er wusste, was sie vorhatten und wie dumm sie sich dabei anstellten. Die anderen Katzen hatten sich vom Rand des Dachs zurückgezogen. Die vielen Leute, der Geruch von Feuer, die Sonnenjacken und der Hund hatten sie vertrieben.
Einigen von ihnen steckte noch das Gemetzel mit dem kleinen japanischen Schwertkämpfer in den Knochen, und nach wie vor waren ihnen Asiaten nicht geheuer. Zwar konnten sie keine Aura sehen wie menschliche Vampire, doch sie suchten sich als Räuber instinktiv die Schwachen und die Kranken, und dieser Pulk dort unten schien weder das eine noch das andere zu sein.
Chet hingegen wurde einer Katze von Nacht zu Nacht unähnlicher. Mittlerweile war er größer als Marvin und hatte seine Katzeninstinkte größtenteils eingebüßt. Was er auch sein mochte — jedenfalls kein Kater. Obwohl er immer noch ein Raubtier war, kamen ihm Worte in den Sinn, Laute, die Bilder in seinem Verstand aufleuchten ließen. Abstrakte Vorstellungen kreisten um Klänge und Symbole. Sein Katzenhirn war mit menschlicher DNA neu geschaltet worden, und dabei herausgekommen war kein bloßes Alpha-Raubtier, sondern eine Kreatur, die zu Rache, Gnade und gezielter Grausamkeit fähig war.
Chet sah der Gruppe hinterher, die sich unten auf den Weg machte, angeführt von Rivera und gefolgt von Barry, dem untersetzten Taucher mit der halben Platte, einem
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