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Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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zartlila ihre Wangen auf einmal schimmerten. Dann fuhr sie schnell mit durch die Decke gedämpfter Stimme fort: »Helene können wir dann als Freundin vergessen. Das Einzige, was uns als Vampire noch an ihr interessieren wird, ist ihre Blutgruppe.«
    »Das ist ja schrecklich«, sagte Silvania.
    »Aber es wäre genauso schrecklich, wenn wir nicht mehr fliegen und flopsen und in unserer Heimat zusammen mit unseren Freunden in Oktavians Gruft feiern können«, fand Daka.
    »Womöglich könnten wir nie wieder in unsere Heimatstadt zurückkehren«, sagte Silvania. »Und ich würde Bogdan nie wieder sehen. Was, wenn er nun doch die große Liebe meines Lebens war?«
    Die Schwestern sahen einander traurig und verzweifelt an. Dann seufzten sie gleichzeitig. Die letzten Stunden ihres Lebens als Halbvampire brachen an. Wenn die ersten Sonnenstrahlen über den östlichen Horizont drangen, würde nichts mehr so sein, wie es bisher gewesen war. Wie eine Raupe den Kokon abstreift und sich als wunderschöner Schmetterling entpuppt, würden die Schwestern sich aus den Lamadecken pellen.
    Vielleicht mussten sie beide nach Hause laufen oder ganz und gar die U-Bahn nehmen. Vielleicht nahm eine Schwester die andere Huckepack und flog mit ihr nach Hause. Vielleicht flogen sie beide nach Hause und saugten auf dem Heimweg noch ein paar unvorsichtige Passanten aus.
    Alles war möglich. Alles schien unglaublich. Doch alles war besser als Bartwuchs, Einzelbrüste und Stachelbeine.

In Rückenlage
in den Hinterhalt
    Z ezcilia Morta Dentiba Tepes war bester Laune. Sie hatte ihre entzückenden Enkelinnen an einem geheimen Ort aufgehängt, an dem in dieser Nacht die Verpuppung zum Vampir stattfinden würde. (Dass sich ihre Enkelinnen zu Menschen verpuppten, kam für Oma Zezci überhaupt nicht in Frage.) Sie hatte den geheimen Ort sorgfältig ausgewählt. Es war ein Ort, an dem sie sich nachts ungestört verpuppen konnten und morgens auch gleich etwas Deftiges zum Frühstück hatten.
    Den letzten Kilometer auf dem Weg zurück zur Reihenhaussiedlung flog Oma Zezci gelassen in Rückenlage. Sie hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und die Beine übereinandergeschlagen. Über Bindburg herrschte in dieser Luftschicht so wenig Flugverkehr, dass sie kaum darauf achten musste, wohin sie flog. Entweder war ihr Sohn wirklich der einzige Vampir der Stadt oder alle anderen Vampire waren extrem flugfaul. Wie dem auch sei, Oma Zezci genoss den nächtlichen Ausflug auf freier Flugbahn.
    Bald war sie nur noch wenige Meter vom Haus ihres zweitgeborenen Sohnes entfernt. Oma Zezci blieb in Rückenlage und ging in aller Ruhe zum Landeanflug über. Sie spitzte die Lippen und pfiff ein schmissiges Lied aus ihrer Jugend. Dazu wackelte sie mit dem linken großen Zeh und mit dem rechten Ohrläppchen. Dann sang sie mit grottenkratziger Stimme den Refrain: »Wenn ein Löffelchen voll Frischblut bittre Medizin versüßt ...«
    Oma Zezci flog über das Feld hinter der Reihenhaussiedlung.
    »... ja, Medizin versüßt, ja Medizin versüßt ...«
    Sie sank auf Baumhöhe ab und steuerte auf eine Lücke zwischen einem Apfelbaum und einem Birnbaum zu, hinter der die Terrasse der Tepes' lag.
    »... wenn ein Löffelchen voll Frischblut bittre Medizin versüßt ...«
    Oma Zezci schoss auf die Baumlücke zu.
    »... rutscht sie gleich noch mal so guuUUUuuuUUuuooOOooooOOooajaj AJAJajaj!«
    WUSCH! RATSCH! BOING!
    »Was zum blutleeren Höllenhausbrot ist DAS?!«, kreischte Zezcilia Morta Dentiba Tepes. Sie war umgeben von Zahnseide. Feiner, fester, nach Menthol stinkender Zahnseide. Es war widerlich. Einem dichten Spinnennetz gleich hing die Zahnseide zwischen Apfel- und Birnbaum. Oma Zezci wedelte wie verrückt mit Armen, Beinen und Ohren, doch das machte alles nur noch schlimmer. Zwar löste sich das heimtückische Zahnseidenetz von den Ästen, doch es zog sich immer fester um die fliegende Oma zu. So fest, dass Oma Zezci bald gar nicht mehr fliegen konnte und abzustürzen drohte.
    Verzweifelt sah Zezcilia Morta Dentiba Tepes nach unten. Die Terrasse ihres Sohnes war verlassen. Doch auf der Terrasse des Nachbarhauses stand ein Mann. Er hatte engelsgleiche, goldene Haare, trug ein fliederfarbenes Polohemd und seine Zähne blitzten in der Dunkelheit, während er sie vor Anstrengung aufeinanderpresste. Es war der Mann, der Zezcilia Morta Dentiba Tepes beim Frühstück gestört hatte. Er hatte sie davon abgehalten, einen leckeren Postboten auszusaugen. Mittlerweile wusste Oma Zezci,

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