Bissige Jungs kuessen besser
Kleidchen, so ähnlich wie meines, bis hin zu beängstigenden Girls mit Gasmasken und Militärmontur. Die meisten tragen leuchtend bunte Perücken, aber einige haben sich die Haare zu mangaähnlichen Irokesenfrisuren gestylt, die der Schwerkraft trotzen. Fast alle haben kleine Rollkoffer dabei, und ich vermute, dass sie sich auf einer Toilette in der Nähe umgezogen haben und nicht zu Hause, wo sie Stress von ihren Eltern kriegen.
»Gott, ist das cool«, haucht Rayne, während ihre Augen von Gruppe zu Gruppe wandern, als wollte sie sich jedes Detail genau einprägen.
»Warum machen die Kids in Amerika das nicht?«
»Komm weiter«, sage ich und ziehe sie am Arm.
»Das Touristending können wir später durchziehen. Erst einmal müssen wir Races Freunde finden und für Jayden Blut beschaffen.«
Ich drehe mich nach meinem Freund um. Er hat schon wieder ein wenig von der Farbe verloren, die er in der Nacht von meinem Blut bekommen hatte, und braucht eindeutig Nachschub.
Meine Schwester nickt und zieht ihren von Hand gezeichneten Plan hervor. »Okay«, sagt sie.
»Dem hier zufolge müssen wir durch die Takeshita Dori gehen.« Sie zeigt auf eine schmale Fußgängerzone, auf der es nur so wimmelt von jungen Japanern. »Es liegt in einer kleinen Nebenstraße.«
Jayden und ich lassen uns von ihr führen und schon bald schlängeln wir uns in einer Art Freiluft-Shoppingmall zwischen den Touristen hindurch. Zweistöckige Läden verkaufen alles, von Sommerkleidern und Overknee-Strümpfen hin zu dunklen, bondageartigen Gothic-Klamotten mit zig Metallschnallen und glänzenden Nieten. Wir kommen vorbei an unzähligen Bubble Tea Shops und an einem McDonald's und an Straßenkarren werden ungefähr eine Million verschiedener Crepesorten angeboten. Außerdem finden sich hier haufen-weise Klamottenläden, die T-Shirts mit englischen Sprüchen darauf verkaufen, die keinerlei Sinn ergeben. Aber wahrscheinlich geht es den japanischen Kids genauso, wenn sie nach Amerika kommen und die ganzen Kanji-Tatoos sehen, die »Frieden« und »Zen« bedeuten sollen, aber verkehrt herum gemacht sind und dann »doof« und »naiv« heißen oder so was.
»Moment mal«, rufe ich Rayne und Jayden durch das Getöse von schlechtem amerikanischem 70er-Jahre-Rock zu. Ich bleibe bei einer Crepe-Bude stehen und nehme einen mit Erdbeersahnege-schmack. Als Elfe hat meine Lust auf Süßes um ungefähr dreihundert Prozent zugenommen und ich lechze genauso nach Zucker wie Vampire nach Blut. Was überhaupt nicht gut ist für meine Oberschenkel. Ich meine, okay, im Elfenland können sie essen und essen und nehmen kein Gramm zu, dank des magischen Nektarelixiers, das sie dort entwickelt haben und das die Fettzellen buchstäblich auflöst. Aber hier in der realen Welt muss eine Elfe auf die Kohlehydrate achten.
Im Augenblick allerdings brauche ich alle Nährstoffe, die ich kriegen kann, da ich tagtäglich so viel Blut spende.
Sobald ich mein Dessert bekommen habe, biegen wir drei von der Hauptmeile ab und kommen in eine ruhige, unscheinbare Gegend. Kaum zu glauben, dass nur eine Straße weiter plötzlich eine ganz andere Atmosphäre herrscht. Hier säumen niedrige schmale Häuser die stillen Straßen.
»Das ist es«, sagt Rayne und bleibt vor einem kleinen Plattenbau stehen. Er ist kastenförmig und hässlich, typische 80er-Jahre-Moderne. So gar nicht das, was ich mir unter dem Zuhauss eines japanischen Vampirzirkels vorgestellt habe.
Meine Schwester drückt auf die Klingel und kurz darauf kommt ein kleines Mädchen, das ich auf etwa neun Jahre schätze, an die Tür und verbeugt sich tief. »Konbanwa« , begrüßt sie uns ernst und ich erinnere mich aus meinem Japanischführer, dass das »Guten Abend« heißt.
»Oh, Entschuldigung«, sage ich verdutzt. Das Kind ist angezogen wie ein japanisches Schulmädchen - ein echtes, nicht die aufreizende Manga-Sorte - und trägt das Haar zu zwei seidig glänzenden Zöpfen geflochten. »Wir müssen an der falschen Adresse sein . . .«
»Rayne? Sunny? Jayden?«, kreischt das Mädchen schrill, aber mit perfekter englischer Aussprache, und springt aus ihrer Verbeugung auf, als wären ihre Füße aus Sprungfedern gemacht. »Freut mich, euch kennenzulernen! Race hat mir schon so viel von euch erzählt.« Sie lächelt breit und entblößt blendend weiße Vampirzähne.
Wahnsinn. Schockiert sehe ich meine Schwester an. Dies ist erst das zweite Mal, dass ich einen kindlichen Vampir sehe. Sie sind extrem selten und total illegal
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