Bissige Spiele (German Edition)
niedergesunken in dieser Stellung verharrten konnte ich nicht nachvollziehen, der Zustand hatte die Zeit für mich stillstehen lassen.
Irgendwann entfernten sich seine Zähne von meinem Hals, wanderten zu meinem Mund und streiften ihn sanft, hinterließen ein weiteres Zittern und Beben meines Körpers, bis sich seine Berührungen langsam von meiner Haut distanzierten.
Immer noch schien die Zeit sich selbst eine Auszeit zu gönnen, während ich sein Gift weiterhin in meinen Adern spürte.
„Hast du immer noch Angst vor mir?“
Seine sanfte, liebliche Stimme weckte mich aus meinem traumhaften Zustand, meine Augen öffnend, blickte ich in zwei sanfte im Laternenlicht dunkelblaue Augen.
„Nein! Nicht jetzt!“, hauchte ich zufrieden.
„Du bist ein hartnäckiger Fall!“
Er lachte.
Ich stöhnte.
Die Bisswunde war bereits wieder geschlossen, tausendmal schneller, wie bei Menschen, doch von seinem Gift immer noch berauscht und geschwächt, blieb ich am Boden sitzen. Auch Miguel blieb. Wie zwei Obdachlose saßen wir auf den Straßen Madrids, nicht von Alkohol berauscht, sondern von den Folgen der Bisse oder der Leidenschaft. In diesem perfekten Augenblick konnte ich nicht sagen, was stärker in mir hervorbrach. Letzten Endes war es auch völlig egal. Das Ergebnis zählte, und das war wertvoller als ein einziges Leben.
Berauschte Zeit
Miguel hatte nicht gefragt, wann wir uns wieder sahen. Ich auch nicht. Wir trennten uns an jenem Abend ohne weitere Worte.
Auf gewisse Art empfand ich die Situation als prickelnd. Im Warten lag eine Mischung aus Neugier, Erregung und einem Hauch Zweifel. Die Frauen im Senisitas machten mehr Jagd nach mir denn je. Geradezu verwöhnt wurde ich von ihnen mit Drinks und unmoralischen Angeboten. Manchmal verfolgten sie mich sogar ein Stück, bis ich mich gezwungen sah, meine Geschwindigkeit auszunutzen und ihnen zu entkommen. Sie gaben einfach nicht auf!
Heute war es erneut so nervtötend gewesen, fortlaufend den Angeboten zu trotzen und eine Abfuhr nach der anderen zu verteilen. Fünf an der Zahl!
Ich fühlte mich verfolgt und genervt!
In London war es schon an manchen Tagen oder insbesondere in lauen Nächten schlimm, aber hier grenzte die Verfolgung an Belästigung. Das müsste man sich als Mann erlauben. Frauen solche Angebote zu machen und ihnen auf Schritt und Tritt folgen! Sicher hätte man bereits nach der ersten Nacht eine Anzeige am Hals und galt als Triebtäter. Meine Flucht führte mich die schmalen Gassen entlang, die verwinkelt und steil treppauf führten. Die Häuser schienen umzufallen, soweit ragten sie in die Gänge hinein. Der Duft von Lavendel, Hibiskus und Rosen war so dominant und doch interessierte er mich noch nicht einmal minimal. Warum sollte er auch. Der einzige Geruch, der mich interessieren konnte, war der eines jungen spanischen Vampirs. Hier und dort roch ich einige von ihnen. Spanien oder vielmehr Madrid schien voll von ihnen zu sein, dennoch hatte ich jeden Abend vergeblich nach dem richtigen Geruch geschnuppert. Ohne Erfolg. Insofern war es kein Wunder, wenig Begeisterung für die menschlichen Ambitionen zu entwickeln. Die Umgebung rauschte nur noch so an mir vorbei und vor langsam ansteigender Frustration spielte ich mit mir selber kleine Spielchen, bei denen ich mir seinen Geruch einfach einbildete und durch die Gassen schlich.
Auch heute Abend half mir dieses Spiel nach erfolgreicher Flucht über meine brennende Sehnsucht hinweg, die Treppen erklomm ich soweit, bis ich auf einem Plateau ankam, von dem aus man über halb Madrid sehen konnte.
Mit geschlossenen Augen war ich die letzten Meter hinaufgelaufen, fast blind vor Betörung durch den eingebildeten Geruch. Für einen Moment verharrte ich auf der Plattform. Nur noch einen einzigen klitzekleinen Augenblick wollte ich diesen Duft einatmen, bevor ich sie öffnen würde und von meinem Traum erwachen würde. Dann erblickten meine Augen die Tausend Lichter dieser wundervollen Stadt. Durch Schlitze nur, trotzdem wartete ich auf die traurige Ernüchterung.
Aber obwohl ich sie immer weiter aufsperrte, verflüchtigte sich der Geruch von Miguel nicht wie sonst. Er blieb. Als wäre ich von ihm eingehüllt wie von einem Mantel. Meine Einbildung funktionierte phänomenal!
„Sind sie nicht herrlich?“ Ich zuckte zusammen. Die Stimme kam mir mehr als bekannt vor, vielmehr ersehnt, doch ich konnte mich von der Idee einer perfekten Einbildung nicht lösen.
„Du siehst aus, als würdest du träumen!“
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