Bissige Spiele (German Edition)
mein Herz hätte in diesen Augenblicken nicht lebendiger sein können, auch wenn ich von Zeit zu Zeit irritiert innehielt, um mir das Geschehen bewusst zu machen, lenkte mich Miguel gekonnt und liebevoll in die richtigen Bahnen zurück und half mir jede Sekunde in vollen Zügen auszukosten.
Als Mensch hätte ich sicherlich drei Liter Whiskey trinken müssen, um mich zu überwinden, doch ich sah keinerlei Gründe, das Dasein nicht so zu nehmen, wie ich es fühlte. Unter Alkohol hatte sich zu Lebzeiten alles nur müßig und unklar angefühlt. Abgedriftet vom Leben!
Sein Gift war berauschend und klar zugleich! Intensiver und lebendiger als alles, was ich zuvor je gespürt hatte. Und als sich unsere Körper und Zähne nach vielen Stunden der Nacht voneinander trennten und Ruhe einforderten, verharrte mein Kopf immer noch zitternd auf seinem an der Mauer angelehnten Körper. Im Schoß.
Minuten vergingen, in denen keiner von uns ein Wort sagte. Warum auch? Miguel ließ seine Hand sanft durch meine schwarzen Haare streifen. Wie bei einem kleinen Kind, und in der Tat fühlte ich mich ein wenig unterwürfig. Auch in diesem Augenblick.
„Gehen wir auf die Jagd?“
Die Frage holte mich in meine vampirische Realität zurück.
„Was?“ Ich war so konfus, dass ich nichts anderes fragen konnte.
„Na Menschen!“ Miguel lachte mich aus. Er hatte allen Grund.
„Menschen.“
Seit meiner Ankunft in Spanien hatte ich nichts anderes getan, als mich an ihnen satt zu trinken. Konserven gehörten der Vergangenheit an. So wie es Sara tat.
Doch jetzt schien mir eine Jagd auf Menschen unpassend, obwohl ich meine aufkommende Unruhe eindeutig mit Durst in Verbindung brachte.
„Was ist? Bist du nicht durstig?“, wollte er wissen.
„Doch!“
„Also? Was zögerst du? Zusammen macht es sicher Spaß, meinst du nicht?“
Der Grund meines Zögerns war mir schleierhaft. Ich hatte Hunger. Miguel wollte ich in meiner Nähe haben. Zögern war idiotisch!
„Gut! Du voran!“
Überwindung hieß das Zauberwort.
Unsere beiden Shirts lagen irgendwo auf dem Boden verstreut. Ich hatte nicht gemerkt, wann ich es losgeworden war. Beim Überstreifen überkam mich trotz der intimen und vertrauten Stunden ein seltsames Schamgefühl. Die Wunden waren verheilt, die Taten verblasst. Warum auch Tat?
Das, was ich bei Sara als grausame Tat empfunden hatte, und wofür wir uns beide geschämt hatten, war für Miguel und mich ein Genuss gewesen, der nichts Anrüchiges oder dergleichen hinterließ.
Wir brauchten uns für nichts zu schämen. Meine Laune erhellte sich langsam, vor allem durch die glänzende Stimmung meines Begleiters, der anscheinend immer noch vom Gifte berauscht, vor sich hin alberte und in die beginnende Morgendämmerung pfiff.
„Wo willst du hin?“ Er lief so gezielt, wahrscheinlich kannte er den Weg.
„Zum Blumenmarkt!“ Ich stutzte.
„Blumenmarkt?“
„Dort färben die Blumenfrauen einmal im Monat die Blumen. Wie vor hundert Jahren. Auf den Straßen sind überall riesige Pfützen voller Farbe. Blau, grün, gelb, violett, orange und natürlich die wichtigste Farbe für uns: Rot! Der Markt ist so voll, dass wir uns unsere Lieblingsspeise sicher holen können.“
Ein Strahlen breitete sich über sein ganzes Gesicht aus und ich wusste, welche Speise er meinte. Allein bei dem Gedanken lief mir das Wasser im Mund zusammen. Die Wolken hatten sich verdichtet. Ein perfektes Wetter, um ungesehen auf die Jagd zu gehen. Der Winter war in Spanien gut zu ertragen und kam uns Vampiren sehr zu gute. Immer wieder hatte ich in letzter Zeit Artgenossen auf der Straße angetroffen, die mich freundlich grüßten und sich auch für meine Herkunft interessiert hatten. Schließlich wollte man wissen, wer im eigenen Revier auf die Jagd ging. Anscheinend hatte keiner etwas gegen mich, und so ließen sie mich gewähren. Spanien war definitiv ein Mekka in jeder Hinsicht.
Bereits am Rande des Blumenmarktes lief uns die rote und blaue Farbe entgegen. Ein buntes Treiben! Im wahrsten Sinne! Überall wurde gehandelt und erklärt, ausgesucht und zusammengestellt, geschnuppert und bewundert. Die Marktfrauen waren geschäftig und erfreut über ihren Verdienst. Kaum eine Stunde war der Markt nun offen und das Gedränge war unglaublich perfekt für unsere Absichten.
Miguel blitzte mich von der Seite an. Ich wusste sofort, was er meinte. Unsere Sinne! Beinahe blind liefen wir durch die Menge. Nur der Geruchsinn führte uns durch die verschiedensten
Weitere Kostenlose Bücher