Bissige Spiele (German Edition)
Bescheid zu wissen. Einzutauchen in die tiefsten Geheimnisse der eigenen Welt in mir und um mich herum.
Vampire!
Was für ein Irrsinn!
Als Kind hatte ich nie etwas über sie gehört. Abscheulich war für mich der Gedanke, Blut zu essen. Dass dies einmal zu einer Gewohnheit werden und ich mir Nadeln unter die Fingerkuppeln stechen lassen würde, gruselig und abscheulich zugleich!
Wie würde ich nur mit all den Erinnerungen umgehen, wenn ich wieder Mensch würde?
Wie würde ich meinem Sohn oder meiner zukünftigen Tochter gegenüber meine Angst vor meiner Rasse verbergen? Wie würde ich meine Frau und meine Kinder vor diesen Monstern schützen?
Mir war schlecht.
Darüber hatte ich mir bislang noch keine ernsthaften Gedanken gemacht, und ich war froh, als mich eine Hand auf meiner kalten Wange aus diesen neuen, erschreckenden Gedanken riss. Eine warme Hand, geschmeidig und zart, sanft und beruhigend wie keine andere.
Saras Hand.
Mein Körper zitterte, meine Stimme hätte keinen Laut hervorbringen können, meine Sinne betäubt. Von den unzähligen Litern rotem Saft, die durch jedem meiner verdammten Venen gejagt worden waren. Jede Zelle war angereichert mit Sauerstoff und mehr denn je fühlte ich Lebendigkeit in dieser außergewöhnlichen Situation. Mein Herz schlug, meine Blutbahnen gesättigt, ich fühlte einfach nur Leben!
Pures Leben!
Ihre liebevollen Augen wirkten wie Medizin und Meditation zugleich und meine Unruhe wich einer warmen Vertrautheit und Erkenntnis, dass alles gut würde!
„Welchen Ort wollt ihr wählen?“
Enttäuscht, auf Sara keinen Einfluss gehabt zu haben, und zugleich verständnisvoll unserer Liebe gegenüber, gab uns der Junge das nächste Rätsel auf.
Der Ort.
Genau! Es gab ja auch einen Ort, an dem wir die Verwandlung vollziehen würden. Bislang hatte ich mir lediglich Gedanken über das Wie und Ob gemacht. Nun, wo diese Gedanken überflüssig geworden waren, rückte das Wo in den Vordergrund und in einer Millisekunde wusste ich, welcher Ort der einzige war, der uns begleiten und unterstützen würde. Warum, wusste ich nicht, aber er war einfach da. Auch machte ich mir keine Sorgen darum, ob es erlaubt war, einen Ort auszuwählen, oder es eine feste Umgebung gab, bei der dieses bislang schief gegangene Ritual vollzogen werden musste.
Mein im Geiste gewählter Ort konnte für Sara und mich nur der richtige sein.
„Ja!“, platzte es aus mir heraus. Voller Klarheit und Entschlossenheit! Sara blickte fragend und es war ihr gutes Recht. Schließlich war es nicht abgesprochen und auch sie hatte vielleicht ihre eigenen Vorstellungen, wo sie eventuell sterben würde. Doch sie erkannte an meinem Blick, dass es keine Entscheidung mehr gab. Sie war bereits getroffen! Eine eiskalte Realität, die für uns beide überraschend kam, aber notwendig war. Plötzlich fühlte ich mich wie der Mann im Haus, der für seine Frau das Richtige tut!
„Gut! Dann ist es also beschlossen! Wir müssen die Vorbereitungen treffen.“ Der Junge stand ebenso entschlossen auf. Sein Hirsch regte sich von der Stelle, bereit, ihm zu folgen.
„Folgt mir!“, bat er uns und wir taten, was verlangt war.
Die Betten der Kinder waren leer. Überall tummelten sie mit ihren Tieren in den Gängen, Räumen und Sälen umher. Geschäftig, aufgetankt und irritierend agil. Wenn man sie zuvor gesehen hatte, fragte man sich, wie ein solcher Unterschied möglich sein konnte. Wie Klone aus einem Film, hatten sie zuvor auf den überdimensional großen Kissen gelegen. Verkabelt, angestöpselt und still, wie Cybermenschen in einem Hyperschlaf ins All. Roboterartig, mechanisch, unmenschlich und unvampirisch.
Jetzt wirkten sie wie Ameisen mit einer gehörigen Portion ausgelassener Lebenslust. Einige Kinder rannten durch die Flure, andere ihnen hinterher.
„Ich hab dich!“
„Verdammt!“
Fangen schien es hier unten auch zu geben, und ich war über die Tatsache froh, jenes alte Spiel nicht verloren zu wissen.
„18, 19, 20! Ich komme!“
An einer Steinnische lehnte ein kleines Mädchen. Ruckartig drehte sie sich um. Ihre Augen leuchteten wie Phosphor, grün, stechend und doch freundlich. Warum wusste ich nicht, doch ihr Blick erinnerte mich an Miguel. Wut kam auf! Mein Herz ruckte. Neugierig spähte ich blitzschnell in die verschiedenen Ecken und Möglichkeiten, sich zu verstecken und entdeckte einen Jungen, der sich an die Decke geklebt hatte. Flach wie eine Flunder, die Finger mit Leichtigkeit wie eine Spinne in die
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