Bissige Spiele (German Edition)
Träne! Ich wischte den feuchten Streifen über meiner Wange weg, doch es folgten weitere. Diesmal waren sie nicht salzig, sondern pure Regentropfen, die angefangen hatten vom Himmel zu fallen.
Meine Erleichterung war groß, dass ich vor Sara nicht anfing zu weinen. Eine Träne war vollkommen genug und mehr mussten es auch nicht werden, denn einige Dinge hatte ich anscheinend absolut verdrängt, die durchaus zum Leben dazu gehörten, und das waren wie Sara schon treffend bemerkt hatte, Trauer und Schmerz.
Damit wollte ich dann doch noch ein wenig warten!
Wir setzten unseren Weg durch die Gassen fort, ohne weiterhin an dem Thema festzuhalten.
Mittlerweile waren nur noch vereinzelt Menschen unterwegs und von überall her roch es fürchterlich nach den verschiedensten Speisen, die sich ihren Weg durch die Mauern gebahnt hatten.
„Mmm. Ich hab gar nicht gemerkt, wie hungrig ich bin. Meine Tante kochte wundervoll, es erinnert mich immer an meine Kindheit, als wir alle noch zusammen gegessen haben.“, schwärmte sie mir schmatzend vor.
Mit Sara Mitleid zu haben, war nicht schwer. In diesem Alter bereits ohne Eltern dazustehen, war sicher nicht einfach, und obwohl es mir im Prinzip ähnlich ergangen war, war dennoch ein erheblicher Unterschied zwischen unseren beiden Schicksalen. Sara hatte alles in vollem Bewusstsein und voller Leidensfähigkeit durchhalten müssen, ich dagegen, war seit dem Moment der Verwandlung von meiner Blutgier getrieben worden und hatte eine Brust, in der kein Raum für sentimentale Anwandlungen vorhanden war. Meine Einsamkeit war nie ein Thema gewesen, noch hatte ich sie überhaupt bemerkt. Alles ging so plötzlich, und die Gedanken eines Vampirs waren nicht gerade sorgenvoll, eher blutvoll!
„Ja, es riecht wirklich verführerisch!“, log ich, als Sara den Eingang von Catherines Wohnung öffnete und uns der Duft des Essens wie ein Schwall entgegenwehte. Mir war bewusst, dass ich, wenn ich bleiben wollte, und Sara dies auch so entschied, wohl oder übel am Essen teilnehmen musste. Von Zeit zu Zeit kam dies zwar vor, aber es bekam mir regelmäßig schlecht. Unsere Körper waren fester Nahrung gegenüber absolut intolerant und reagierten mit baldigem Erbrechen. Das konnte ja heiter werden! Die andere Möglichkeit bestand darin, dass ich das Essen ablehnte, doch ich wusste auch, dass mir das wenig Sympathie einbringen würde.
Als wir durch den Flur in Richtung Küche gingen, hastete uns Catherine entgegen.
„Kinder, da seid ihr ja! Sara, hast du zufällig die Nachrichten irgendwo gehört? Weißt du was passiert ist?“
Ihre Augen sahen sie fassungslos und sogar ein wenig verängstigt an. Dann schwenkte ihr Blick zu mir herüber und die Angst wich schlagartig und sie nahm die typische Schmachthaltung ein.
„Nein, Catherine. Was ist? Was ist denn bloß passiert? Du bist ja ganz außer dir?“, beruhigte sie Sara.
Wieder sah sie zu ihrer Nichte herüber und ihr Blick wurde erneut verängstigt.
„In dem Zug, in dem du gestern gefahren bist, ist ein Mord passiert! Stell dir vor! Ein Mord! Auf der Toilette! Eine ältere Frau wurde dort tot aufgefunden! Und jetzt halte dich fest: Sie war vollkommen blutleer! Allerdings hat man nirgendwo eine frische Wunde gefunden, nur eine einzige, die allerdings schon längere Zeit abgeheilt sein musste. Aber weißt du was das Seltsamste daran ist? Sie muss gelächelt haben! Keiner weiß, was das alles zu bedeuten hat!“
Das hätte ich mir denken können, dass diese Frau in die Nachrichten kam, irgendjemand muss sie schließlich gefunden haben, und für die Normalwelt galt es den ungeklärten Tod einer Frau schließlich zu untersuchen.
Sara sah zuerst zu ihrer Tante und anschließend beäugte sie mich intensiv, als ob sie wissen wolle, wie meine Reaktion auf diese Nachricht war.
„Es gab nur eine Toilette im Zug, und die war direkt neben meinem Gang!“, antwortete Sara zögerlich.
„Meinst du das ernst?“
Catherine schien sich jetzt noch Sorgen um Sara zu machen, obwohl sie längst nicht mehr im Zug saß.
„Ja, es waren vielleicht gerade mal drei Meter bis zur Toilette. Dann muss es direkt vor meiner Nase passiert sein! Das ist unglaublich gruselig!“ entgegnete sie, während sie mich weiterhin musterte.
„Apropos Wunde, Tante, wie sieht deine Wunde eigentlich aus?“
„Tja, also ich bin nicht wie diese Frau tot, aber meine Wunde ist auf ähnliche Weise zugeheilt. So etwas habe ich noch nie erlebt. Die Wundheilung war schneller als
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