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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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aber auch etwas Grauenhaftes. Das interessiert mich allerdings nur insoweit, als dass es mir hilft, den Killer zu finden, der diese Männer getötet hat. Wobei es mich eigentlich gar nicht interessieren sollte. Weil Captain Piazza mich von dieser Jagd ausgeschlossen hat.
    Nein. Du hast dich selbst ausgeschlossen, mahnt der Zensor in meinem Kopf.
    Mein Mobiltelefon auf dem Beifahrersitz leuchtet grün. Wieder Sean. Ich drehe es um, damit ich das Leuchten des Displays nicht sehen muss.
    Im vergangenen Jahr bin ich jedes Mal, wenn die Angst oderdie Depressionen unerträglich wurden, zu Sean gerannt. Heute Nacht renne ich vor ihm weg. Ich renne, weil ich Angst habe. Wenn Sean erfährt, dass ich schwanger bin – und ich beabsichtige, das Baby zu behalten –, wird er entweder die Versprechen einlösen, die er gemacht hat, oder mich verraten. Und ich habe furchtbare Angst, dass er seine Familie nicht für mich aufgeben könnte. Diese Angst ist so spürbar, dass das Resultat bereits eine ausgemachte Sache scheint, etwas, das ich die ganze Zeit über gewusst habe. Wie dumm von mir, mich selbst zu belügen.
    Sean hat seine Zweifel niemals versteckt. Er hat Angst wegen meines Alkoholkonsums. Wegen meiner Depressionen. Meiner gelegentlichen manischen Zustände. Er hat Angst, ich könnte sexuell nicht treu sein. Angesichts meiner Vergangenheit allesamt berechtigte Sorgen. Doch ich bin fest überzeugt, dass man es an irgendeinem Punkt im Leben einfach riskieren muss, dass man alles für den anderen Menschen aufs Spiel setzen muss, ganz gleich, wie groß die Ängste sein mögen. Außerdem – sieht Sean denn nicht, was er mit seinen Ängsten anrichtet? Dass er es mir noch viel schwerer macht, Vertrauen in mich selbst zu haben, wenn er immer noch Angst hat, obwohl er mich so intim kennen gelernt hat?
    Meine Hände am Lenkrad zittern. Ich brauche noch eine Valium, doch ich darf nicht riskieren, auf der Interstate einzuschlafen. Schluck es runter, sage ich mir, das Mantra meiner Jugend und das ungeschriebene Motto meiner Familie. Schließlich ist es nicht so, als wäre mein gegenwärtiges Dilemma neu. Ich war vorher noch niemals schwanger, doch die Schwangerschaft ist lediglich eine neue Facette in einer alten Gewohnheit. Ich habe mir schon immer unerreichbare Männer ausgesucht. Auf gewisse Weise ist mein ganzes Leben eine Serie unerklärbarer Entscheidungen und ungelöster Paradoxe. Zwei Therapeuten haben verzweifelt die Hände hochgeworfen wegen meiner Fähigkeit, trotz aller selbstzerstörerischen Verhaltensweisen, die mich ständig am Rand der Katastrophe halten,auf meinem gegenwärtigen Niveau zu funktionieren. Meine Beziehung zu meiner derzeitigen Therapeutin, Dr. Hannah Goldman, hat nur deswegen überlebt, weil Hannah mir gestattet, meine festgelegten Termine zu überspringen und sie anzurufen, wann immer ich das Gefühl habe, sie zu brauchen. Ich brauche niemanden, den ich ansehen kann. Ich brauche eine verständnisvolle Stimme, weiter nichts.
    Eigentlich wird es Zeit, dass ich Hannah wieder einmal anrufe. Sie weiß nichts von meiner Schwangerschaft. Sie weiß auch nichts von meinen Panikattacken. Doch selbst nach vier Jahren bei ihr habe ich noch immer Schwierigkeiten, sie um Hilfe zu bitten. Ich stamme aus einer Familie, die Depressionen für eine Schwäche hält, nicht für eine Krankheit. Ich habe als Kind nie einen Therapeuten gesehen, als er mir wahrscheinlich wirklich hätte helfen können. Mein Großvater, ein Chirurg, ist der Meinung, dass Psychiater kränker sind als ihre Patienten. Mein Vater, ein Vietnamveteran, war vor seinem Tod bei mehreren Therapeuten der Veterans Administration in Behandlung, doch keiner von ihnen vermochte die Symptome seiner posttraumatischen Verhaltensstörungen zu lindern. Meine Mutter war ebenfalls gegen eine Therapie. Die Seelenklempner hätten ihrer älteren Schwester nicht helfen können, sagte sie, und einer von ihnen hätte sie sogar verführt. Als meine Selbstmordimpulse mich schließlich überzeugten, dass es an der Zeit war, Hilfe zu suchen – im Alter von vierundzwanzig –, waren weder die Ärzte noch die Psychologen imstande, meine Stimmungsumschwünge unter Kontrolle zu bringen, meine Albträume zu lindern, meinen Alkoholkonsum zu verringern oder mein gelegentlich unbesonnenes sexuelles Verhalten. Für mich war Therapie mehr oder weniger ein völliger Reinfall – abgesehen von Hannah Goldman und ihrem Laisser-faire- Stil . Und doch … obwohl meine gegenwärtige

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