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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Hinweise darauf, dass dir Gewalt angetan wurde.«
    »Du hast mich auch auf sexuelle Misshandlung untersucht?«
    Er seufzt erneut, offensichtlich abgestoßen von der Direktheit meiner Frage. »Ich habe dich gründlich untersucht, ja. Dir war nichts geschehen. Körperlich, meine ich. Der seelische Schock war vernichtend. Du hast ein ganzes Jahr lang kein Wort mehr gesprochen.«
    »Was glaubst du, habe ich gesehen?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn es glimpflich abgelaufen ist, hat sich der Einbrecher vor dir entblößt. Vielleicht hat er dich befummelt oder dich gezwungen, ihn anzufassen. Am anderen Ende des Spektrums … Vielleicht hast du mit ansehen müssen, wie dein Vater erschossen wurde.«
    Ich will meine zitternden Hände verbergen – Großvater verabscheut Schwäche –, doch ich weiß nicht, wohin mit ihnen. Er legt einer seiner starken, von Altersflecken übersäten Hände auf die meinen und beendet das Zittern mitfestem Griff. »Hast du irgendwelche Erinnerungen an jene Nacht?«
    »Nicht vor dem Moment, wo ich Daddys Leiche gesehen habe. Ich leide unter Albträumen. Ich sehe Daddy, wie er mit einem gesichtslosen Mann kämpft und … andere Sachen. Aber nichts von alledem ergibt einen Sinn.«
    Er drückt meine Hände fester. »Das sind keine Albträume, Liebes. Es sind Erinnerungen. Ich habe eine Reihe von schlimmen Dingen über Luke gesagt, ich weiß. Und Gott hilf mir, ich habe dich ebenfalls belogen. Ich hoffe nur, dass der Grund gut genug war. Doch auf eines schwöre ich einen heiligen Eid. Dein Vater starb bei dem Versuch, dein Leben zu retten. Wahrscheinlich hat er dir das Leben gerettet. Kein Mann hätte mehr tun können als er.«
    Ich schließe die Augen, doch die Tränen kommen trotzdem. Ich habe mein ganzes Leben lang eine gewisse Verlegenheit gespürt wegen der Probleme, die mein Vater aus dem Krieg mit nach Hause brachte. Jetzt zu erfahren, dass er als Held starb … es ist beinahe zu viel. »Wer hat es getan, Großpapa? Wer hat ihn ermordet?«
    »Das weiß niemand.«
    »Hat die Polizei wirklich nach dem Täter gesucht?«
    »Das solltest du annehmen. Ich habe ihnen schwer zugesetzt. Aber sie haben nichts gefunden.«
    »Ich kann den Tatort heute mit Werkzeugen auseinander nehmen«, sage ich leise, »die es damals noch gar nicht gab.«
    Großvater betrachtet mich mit kummervoller Miene. »Da bin ich sicher, Catherine, aber was sollte es nutzen? Was, wenn du dna von einer unbekannten Person findest? Es gab niemals auch nur einen Verdächtigen. Willst du vielleicht Blutproben von jedem Schwarzen in ganz Natchez nehmen? Das könnten fünftausend Leute sein. Und der Killer ist inzwischen vielleicht längst tot. Oder er hat die Stadt vor Jahren verlassen.«
    »Willst du damit sagen, ich sollte nicht versuchen, den Mörder meines Vaters zu finden?«
    Großvater schließt die Augen. Gerade als ich glaube, er wäre eingeschlafen, öffnet er sie wieder und richtet den Blick mit erstaunlicher Intensität auf mich. »Catherine, du hast dich dein ganzes Erwachsenenleben nur auf den Tod konzentriert. Und jetzt stehst du im Begriff, eine Grenze zu überschreiten, die Grenze zur Besessenheit. Ich möchte, dass meine Enkeltochter lebt! Ich möchte, dass du eine Familie hast und Kinder …«
    Ich schüttle heftig den Kopf, nicht, weil ich diese Dinge ablehne, sondern weil ich im Augenblick einfach nicht imstande bin, mich damit zu beschäftigen. Und weil außerdem schon ein Kind in mir heranwächst …
    » Das hätte dein Vater gewollt«, sagt Großvater. »Nicht irgendeine späte Suche nach Gerechtigkeit, die keinerlei Aussicht auf Erfolg hat.«
    »Es ist nicht Gerechtigkeit, die ich will.«
    »Was dann?«
    »Der Mann, der meinen Vater ermordet hat, ist die einzige Person auf der Welt, die mir sagen kann, was in meinem Zimmer passiert ist.«
    Endlich schweigt mein Großvater.
    »Irgendetwas ist in jener Nacht mit mir passiert«, sage ich. »Irgendetwas Schlimmes. Und ich muss wissen, was es war.«
    Großvater antwortet, doch ich verstehe seine Worte nicht. Seine Stimme klingt, als würde sie vom Wind über ein Feld herangeweht. Ich ziehe eine Hand aus seinem Griff, öffne die Tür und will aussteigen. Er versucht mich an der anderen Hand festzuhalten, doch ich mache meine Finger ganz locker, und meine Hand kommt frei. Ich stemme die Füße in den Boden, springe auf und renne in Richtung des Sklavenquartiers.
    Billy Neal spürt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Er springt aus dem Lincoln und verstellt mir

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