Bisswunden
und öffnet die hintere Beifahrertür, doch da hat mein Großvater mich bereits erblickt und steuert in meine Richtung. Neal lehnt sich gegen den Wagen und zündet sich eine Zigarette an. Sein Verhalten ist geradezu unverschämt.
»Catherine!«, ruft Großvater. »Zwei Besuche in drei Tagen! Was ist denn los?«
Ich habe nicht vor, den Grund für meine Anwesenheit zu verschweigen, auch wenn er sich möglicherweise deswegen aufregt. »Ich bin hergekommen, um die Arbeit in meinem Schlafzimmer zu Ende zu bringen.«
Er bleibt dicht vor mir stehen, und in seinen blauen Augenglitzert es interessiert. »Du meinst das Blut, das du gefunden hast?«
»Ja. Ich will den Rest des Zimmers nach Spuren von Blut und anderen Beweisen absuchen. Vielleicht das ganze restliche Sklavenquartier.«
Das Glitzern verschwindet. »Was für Beweise? Beweise wofür?«
»Ich bin nicht sicher. Aber ich bin entschlossen, alles zu finden, was nach dreiundzwanzig Jahren noch erhalten ist.«
Er blickt auf seine Armbanduhr. »Du machst es selbst?«
»Ich denke nicht, nein. Ich hatte es eigentlich vor, und ich habe meine forensische Ausrüstung im Kofferraum. Aber wenn irgendetwas von dem, was ich finde, für ein Gericht von Belang ist, dann …«
»Für ein Gericht?« Jetzt habe ich seine volle Aufmerksamkeit. »Was könnte denn für ein Gericht von Belang sein?«
Warum zwingt er mich, das zu sagen? »Hör zu, ich weiß, du bist der Meinung, dass wir beide, du und ich, das Blut wahrscheinlich selbst in jener Nacht aus dem Garten ins Haus geschleppt haben, aber …«
»Aber was?«
»Es hat geregnet in dieser Nacht, Großpapa. Ziemlich heftig.«
Er nickt, als erinnerte er sich erst jetzt daran. »Du hast Recht.«
»Es ist nicht, dass ich dir nicht glaube, aber ich muss immer wieder an diesen Regen denken. Wie kann jemand so viel Blut durch dreißig Meter nasses Gras ins Haus schleppen, um diese Abdrücke zu hinterlassen?«
Er lächelt. »Du bist genauso hartnäckig und besessen wie dein Großvater.«
Ich kann nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. »Das Problem ist die Objektivität, wenn ich es selbst mache. Wenn es zu irgendwelchen gerichtlichen Aktionen kommt, die mich einbeziehen, werden die Beweise bestenfalls suspekt sein,schon allein dadurch, dass ich sie gefunden habe. Aber ich kenne Leute drüben im State Crime Lab in Baton Rouge. Sie machen ein paar Arbeiten nebenbei, rekonstruieren Tatorte, fungieren als Experten vor Gericht …«
»Mississippi oder Louisiana?«
»Louisiana.«
Großvater nickt mechanisch, als hätte er plötzlich andere Dinge im Kopf.
»Sie könnten mein Schlafzimmer in einem halben Tag untersuchen und das Ganze auf Video aufnehmen. Jeder Beweis, den sie finden, wäre über alle Zweifel erhaben. Ganz ehrlich, Großvater, ich kann nicht einmal annähernd so tun, als wäre ich objektiv in dieser Angelegenheit.«
»Ich verstehe.« Er blickt zu seinem Fahrer, dann sieht er mich wieder an.
»Hast du ein Problem damit, wenn ich es so mache, Großpapa?«
Er scheint mich nicht gehört zu haben. Der Schlaganfall, den er vor einem Jahr erlitten hat, hat seine geistigen Fähigkeiten angeblich nicht beeinträchtigt, doch manchmal bin ich mir dessen nicht so sicher.
»Wem gehört der Wagen dort?«, frage ich und deute auf den Acura.
»Ann«, antwortet Großvater mit abwesendem Blick.
Tante Ann kommt nur selten nach Malmaison. Ihr stürmisches Leben hat sie vor langer Zeit von meinen Großeltern entfremdet. Meine Mutter ist diejenige, die sich bemüht, einen positiven Einfluss auf Anns Leben auszuüben, doch ihre Anstrengungen sind größtenteils vergeblich. Ann wurde, als sie Mitte zwanzig war, als bipolar diagnostiziert und zu einem mahnenden Beispiel in der einheimischen Gesellschaft, einem Beispiel, dass großer Reichtum nicht notwendigerweise Glück zur Folge hat.
»Ist sie zu Besuch bei Mom?«, frage ich.
»Sie ist jetzt bei Gwen, aber eigentlich ist sie hergekommen, weil sie zu mir wollte.«
»Weswegen?«
Großvater seufzt erschöpft. »Warum kommt sie denn jedes Mal?«
Geld. Mom hat mir erzählt, dass Tante Ann schon vor langer Zeit den Treuhandfonds aufgebraucht hat, den mein Großvater für sie eingerichtet hatte. Und trotzdem hat sie keine Bedenken, ihn immer wieder um Geld zu fragen, wenn sie welches braucht. »Mom hat erzählt, Tante Ann würde von ihrem neuen Ehemann geschlagen?«
Großvaters Gesicht wird starr, und ich spüre die schwelende Wut eines Mannes, der die Menschen nach seinem
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