Bisswunden
fand ich deine Mutter schlafend in ihrem Bett. Dann bin ich in dein Zimmer, um nach dir zu sehen. Luke lag auf dem Boden und blutete aus der Brust. Sein Gewehr lag neben ihm auf dem Boden.«
»Wo war ich?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe Luke untersucht, und seine Schusswunde war tödlich.«
»Hat Daddy noch etwas gesagt?«
Großvater schüttelt den Kopf. »Er konnte nicht mehr sprechen.«
»Warum nicht?«
»Catherine …«
»Warum nicht?«
»Er ertrank in seinem eigenen Blut.«
»Wegen einer Wunde an der Seite seiner Brust?«
»Liebling, das Gewehr war mit Jagdmunition geladen, die sich beim Aufprall zerlegt. Die inneren Verletzungen waren katastrophal.«
Ich verdränge den Schmerz, indem ich mich auf Einzelheiten konzentriere. »Hast du das Gewehr angerührt?«
»Ich habe es hochgehoben und am Lauf gerochen, um festzustellen, ob es die Waffe war, aus der geschossen wurde. Es gab keine Zweifel.«
»Hast du die Polizei gerufen?«
»Das hat Pearlie getan. Sie war zuerst unten, um nach dir zu sehen, wie ich schon sagte. Der Rest war mehr oder weniger so, wie ich es dir bereits erzählt habe. Deine Mutter wachte auf, und Augenblicke später bist du in das Schlafzimmer spaziert.«
»Wo war ich? Ich meine … es ist in meinem Schlafzimmer passiert, oder?«
Er nimmt sich einen Moment Zeit zum Nachdenken, bevor er spricht. »Draußen, glaube ich.«
»Wer hat Daddys Leiche in den Rosengarten getragen?«
»Das war ich.«
»Warum?«
»Um dich zu schützen.«
»Wie meinst du das?«
Großvater rutscht unbehaglich auf dem Sitz hin und her, doch seine Blicke bleiben unverwandt auf mich gerichtet, todernst und voller Überzeugung. »Du warst acht Jahre alt, Catherine. Dein Vater wurde von einem Einbrecher in deinem Schlafzimmer erschossen. Wäre diese Story im Examiner abgedruckt worden, hätten die morbiden Spekulationen kein Ende gefunden. Was ist passiert, bevor Luke in deinem Zimmer eintraf?Wurdest du auf irgendeine Weise unsittlich berührt? Vielleicht sogar vergewaltigt? In dieser kleinen Stadt hätte dich das bis an dein Lebensende verfolgt. Ich sah keine Veranlassung, dich dem auszusetzen, genauso wenig wie deine Mutter. Luke war tot. Es machte keinen Unterschied, wo die Polizei seinen Leichnam fand.«
»Mom weiß es?«
»Selbstverständlich.«
»Und Pearlie auch?«
»Es war Pearlie, die mir half, Lukes Blut vom Boden und von den Wänden zu wischen, bevor die Polizei kam. Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte – niemand hat auch nur einen Fuß in das Haus gesetzt.«
»Warum nicht?«
Er sieht mich an, als wäre die Antwort offensichtlich. »Sie glaubten mir, was ich ihnen erzählte. Luke lag tot unter dem Dogwood-Baum im Rosengarten. Ich erzählte ihnen, wie es passiert war, und das war alles.«
Eine derart passive Reaktion der Polizei wäre selbst damals, 1981, in New Orleans unvorstellbar gewesen. Doch im Natchez von vor zwanzig Jahren? Welcher einheimische Cop sollte es wagen, das Wort von Dr. Kirkland infrage zu stellen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Ermordete Kirklands eigener Schwiegersohn war?
»Hat es überhaupt eine Spurensicherung gegeben? Wurde das Gelände nach Blut oder anderen Beweisen abgesucht?«
»Ja, aber wie du selbst gesagt hast, es regnete stark in dieser Nacht. Sie unternahmen keine allzu großen Anstrengungen. Es war eine traurige Nacht, und jeder wollte, dass sie zu Ende ging.«
Ich starre über den Rosengarten auf das Sklavenquartier, das sechzehn Jahre lang mein Zuhause war. Dann blicke ich nach rechts, zu dem Dogwood-Baum, von dem ich mein ganzes Leben lang dachte, mein Vater wäre unter ihm gestorben. Luke war tot. Es machte keinen Unterschied, wo die Polizei seinenLeichnam fand. Doch für mich macht es einen Unterschied. Es macht jeden Unterschied in der Welt.
»Aber Großpapa … was, wenn mir irgendetwas passiert ist? Hast du je darüber nachgedacht?«
Bevor er antworten kann, kommt der Lincoln Town Car auf der Beifahrerseite heran und hält. Billy Neal wirft meinem Großvater einen unmissverständlichen Blick zu.
»Was hat dieser Kerl für ein verdammtes Problem?«, fauche ich.
Großvater runzelt missbilligend die Stirn wegen meiner Wortwahl, doch er bedeutet Billy, sich zu entfernen. Nach etwa zehn Sekunden gehorcht der Fahrer.
»Selbstverständlich habe ich über diese Möglichkeit nachgedacht, Liebes«, sagt mein Großvater. »Ich habe dich selbst untersucht, nachdem die Polizei wieder weg war.«
»Und?«
»Ich fand keinerlei
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