Bist du mein Kind? (German Edition)
hält meine Hand. Ich schaue nur den Kindern zu und fühle mich glücklich. Der Knoten ist da, aber so klein, dass ich ihn ignorieren kann.
Unsere Kinder. Unsere drei Söhne. Meine drei Söhne.
Morgen. Morgen höre ich die Meinung unserer Freunde.
Das ist der letzte Gedanke, als ich abends im Bett liege.
2010 TAG 6 Zuhause
Und wieder verbringe ich eine unruhige Nacht. Als es endlich Morgen ist, bin ich froh und spule meine morgendlichen Rituale ab.
Frisch und halbwegs schön mache ich mir einen Kaffee und hole mir die Zeitung. Ich möchte einfach mal in Ruhe hier sitzen, so tun, als sei meine Welt normal und die Stille genießen.
Aber ich kann mich nicht auf die Zeitung konzentrieren. Immer wieder schweifen meine Gedanken ab.
Ich sehe Maxi als Baby, als kleinen Jungen, wie er sich mit Leon um ein paar Legosteine streitet. Und ich sehe ihn heute.
Wie kann ich ihn zurückholen? Darf ich ihn aus „seiner“ Heimat herausreißen?
Mein Herz schreit ja, er ist doch mein Kind und ich will ihn zurück. Mein Kopf wägt ab, was wohl das Beste für Maxi wäre. Ich komme zu keiner Lösung.
Und bis wir das Ergebnis des Vaterschaftstests aus Frankreich haben, können ungefähr zwei Wochen vergehen. Wie soll ich das bloß aushalten?
Ich höre Schritte, die leise die Treppe heruntertapsen. Es ist doch erst sieben Uhr. Wieso ist Maxi schon wach?
Er schiebt nur seine Nasenspitze um den Türrahmen und grinst mich an.
Am liebsten möchte ich aufspringen und ihn festhalten und nie wieder loslassen. Stattdessen bemühe ich mich, möglichst freundlich aber emotionslos zu fragen:
„Es ist noch viel zu früh. Du kannst noch eine ganze Weile schlafen“.
„Ich weiß, aber ich bin schon wach. Kann ich auch einen Kaffee haben?“
„Sicher, nimm dir eine Tasse, stelle sie unter den Automat und drücke auf den mittleren Knopf“.
„Danke, aber ich weiß, wie das geht. Darf ich mir ein Milchbrötchen nehmen? Ich habe so einen Hunger?“
Er hat wirklich immer Hunger. Ob er in Frankreich nicht genug zu essen bekommt? Aber zu dünn sieht er nicht aus.
„Nimm dir. Es sind aber nur noch welche von gestern da. Ich hole gleich neue.“
Er geht in die Küche, macht die Schublade mit dem Brot auf, nimmt sich ein Brötchen.
Danach öffnet er wie selbstverständlich den Küchenschrank, nimmt sich eine Tasse und macht sich einen Kaffee.
Ich sitze mit gespitzten Ohren mit dem Rücken zur Küche und genieße es einfach, dass mein Sohn sich in der Küche bewegt, als wäre er hier zuhause.
Mit Kaffee und Brötchen setzt er sich an den Tisch und schaut auf die Zeitung.
„Steht was Gutes drin?“ fragt er mich mit vollen Backen.
Ich schieb ihm eine Hälfte der Zeitung hin. „Lies!“
Er grinst, nimmt sich die Zeitung und sieht ganz vertieft aus. Ich beobachte ihn und kann nicht aufhören zu denken: ‚Er muss hierbleiben. Ich kann ihn nicht zurück lassen. Er ist mein Sohn‘.
Nach ungefähr einer Minute schiebt er mir die Zeitung wieder zu und sagt:
„Ich habe nichts verstanden“.
„Macht nichts, steht auch nichts Gescheites drin. Ich fahre jetzt Brötchen holen“.
„Ich komme mit, dann kann ich mal eine Bäckerei sehen“.
Schon ist er neben mir und begleitet mich zum Auto.
Als ich in der Bäckerei meine Brötchenbestellung aufgebe, flüstert er mir zu: „Warum steht an diesen komischen Broten Baguette?“
Ich grinse und flüstere zurück: „Weil der Bäcker denkt, er könne tolle Baguettes backen“.
Maxi kichert.
„Kann ich eins haben?“
Und schon bestelle ich ein Baguette. Und drück es Maxi in die Hand.
Zuhause angekommen, fängt er an, den Tisch zu decken.
Ein leises „Kuckuck“ klingt aus der Kinderdiele. Timo ist wach. Er schlurft schlaftrunken ins Wohnzimmer, setzt sich auf die Couch und sieht uns zu, wie wir Frühstück machen.
Ich kann sehen, dass es in seinem Kopf gewaltig rattert.
„Er könnte von hier sein“, raunt Timo mir zu.
„Morgen Bruder!“ tönt eine Brummelstimme aus der Kinderdiele. Leon. Er ist auch wach.
Ja ist er denn total verrückt geworden?
Er sieht meinen entsetzten Blick und kommt ganz schnell zu mir.
„Alles gut, kleine Mama. Er hat gestern gesagt, er fühlt sich, als würde er zu uns gehören. Weil wir ihn so gut behandeln und weil wir so nett zu ihm sind. Außerdem nenne ich doch auch meine Freunde „Bruder“. Deshalb habe ich das gesagt.“
Dass Maxi ebenfalls „Guten Morgen Bruder“ gesagt hat, habe ich vor lauter Schreck nicht mitbekommen.
Endlich ist
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