Bist du mein Kind? (German Edition)
Timo schläft im Auto ein, Leon und Maxi hören Musik.
Als wir zuhause ankommen, fallen alle drei Kinder in die Betten. Wolfgang und ich liegen noch lange wach.
„Was haben deine beiden denn so gesagt?“ fragt Wolfgang, als wir im Bett liegen.
„Sie sind sich nicht einig und eigentlich wollten sie nichts sagen, um mich nicht zu beeinflussen und noch trauriger zu machen. Es ist so lange her, dass sie Maxi gesehen haben. Deshalb fällt es ihnen auch schwer, ihn sich heute vorzustellen. Wir können eigentlich jetzt nur die Ergebnisse aus Frankreich abwarten.“
Er nickt: „ Ich sehe das genauso. Gute Nacht“.
Und schon schläft dieser Mann.
2010 TAG 7 Zuhause
Sonntagmorgen. Ich werde geweckt durch ein Geräusch.
Lachen, Kichern. Maxi, Leon und Timo stehen in der Schlafzimmertür und machen Fotos von meinem schlafenden Mann und mir. Die Bettdecke ist gar nicht so schnell über meinen Kopf gezogen, dass sie nicht schnell noch ein Foto machen könnten.
Ich drohe ihnen und springe aus dem Bett. Mit ein paar Sätzen bin ich Bad verschwunden.
Ich höre, dass sie weitere Fotos von Wolfgang machen und sich kaputt lachen.
Mein Herz klopft wie wild. So fühlt sich das richtig an. So muss es bleiben. Niemand darf mir das wieder wegnehmen.
Aber morgen muss Maxi nach Frankreich zurück. Ich kann ihn doch nicht gehen lassen. Er ist mein Kind. Mein Kopf und mein Herz streiten. Ich weiß, dass ich vernünftig sein muss. Wir wissen jetzt, wo er lebt und wenn wir das Testergebnis haben, können wir ihn nach Hause holen.
Siedend heiß fallen mir Bines Worte ein. Ist er wirklich bei uns zuhause? Wir sind lediglich eine deutsche Gastfamilie für ihn. Zwar eine, in der er sich wohlfühlt, aber seine französische Familie ist die einzige, die er kennt.
Ich steige unter die Dusche und versuche, die trüben Gedanken mit heißem Wasser wegzuspülen.
Später, beim Frühstück überlegen wir, wie wir den Tag gestalten. Die Kinder würden gerne zuhause bleiben und ihn komplett vertrödeln. Wolfgang will nicht sprechen, versucht aber, mir durch Augenrollen zu signalisieren, dass er auch lieber nichts tun will. Da er nicht spricht, kann ich das wunderbar ignorieren.
Ich würde gerne noch etwas mit allen unternehmen, aber ich habe keine Chance. Also bleiben wir zuhause. Und spielen.
Allerlei Gesellschaftsspiele werden hervor gekramt. Und allerlei Kartenspiele deutscher und französischer Herkunft. Dann wird Schach gespielt und Backgammon und ich sitze auf der Bank im Garten, schaue auf die Terrasse und sehe vier männliche Köpfe, die sich gerade über Spielregeln in Rage reden.
Ich bin glücklich.
Abends wird gegrillt und der letzte unbeschwerte Tag ist vorüber.
Mit einem mulmigen Gefühl gehe ich ins Bett. Wolfgang dreht sich auf seine Seite und setzt an, die ersten Schnarchtöne von sich zu geben.
„Halt, du kannst doch jetzt nicht einfach schlafen“, sage ich und schüttele seinen Arm.
„Warum nicht? Es ist halb elf und ich muss morgen sehr früh raus.“
„Ich will nicht, dass er morgen fährt. Er gehört uns. Er muss hier bleiben.“
„Ist das dein Ernst? Wie willst du ihm und seinen Eltern das erklären?“
„Seinen Eltern? Wir sind seine Eltern.“
„Es sieht zumindest danach aus. Solange wir das nicht genau wissen, bleibt alles wie es ist. Wir sind
hier und er ist ein Franzose aus Frankreich“.
„Bin ich aber froh, dass wir einen Franzosen aus Frankreich haben und nicht aus Italien. Das wäre ja nicht auszudenken.“
Etwas Galgenhumor habe ich mir erstaunlicherweise dann doch bewahrt.
Er hat ja Recht. Aber, ach es gibt so viele aber.
Irgendwann haben auch meine Gedanken keine Lust mehr, durch meinen Kopf zu geistern, sodass ich auch einschlafen kann.
2010 TAG 8 Zuhause
Montags ist dann wieder alles wie immer. Ich verdränge die Gedanken an den Abend.
Die Kinder müssen in die Schule, ich muss arbeiten, Wolfgang ist schon weg.
Heute fahren die Großen nach Frankfurt. Irgendetwas wollen sie besichtigen und anschließend geht es zum Shoppen in die Fußgängerzone.
Während des ganzen Vormittags bekomme ich keine gescheiten Gespräche mit den Ärzten hin. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. So schlampig sollte kein Pharmareferent arbeiten, denke ich und versuche, mich zu konzentrieren.
Aber es gelingt mir nicht. Ich schleppe mich von Praxis zu Praxis und bin heilfroh, als ich meine neun Ärzte zusammen habe. Endlich kann ich nach Hause fahren.
Als ich durch die Tür trete, wird mir
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