Bist du mein Kind? (German Edition)
einigermaßen gut?“
Ich kann nicht reden. Ich schluchze.
Wolfgang übernimmt das Gespräch.
„Danke, Jean-Marie, danke.“ Seine Stimme ist belegt. Er kann auch kaum reden.
„Ich denke, dass wir die deutsche Polizei einschalten müssen. Schließlich können die auch von hier aus ermitteln. Allerdings haben die ja damals „den Fall“ abgeschlossen. Was meinst du?“
Jean-Marie antwortet nicht sofort.
„Lass mich einen Moment nachdenken. Vielleicht ist es besser, derzeit noch keine offizielle Untersuchung einzuleiten. Lass uns erst weiter forschen.
Mir wäre es ganz wichtig, wenn ihr DNA-Material von euch und von Laurent bekommen könntet. Gibt es in Deutschland Labore, wo man das hinschicken kann?“
„Natürlich. Es ist gerade ein Riesentrend, Vaterschaftstests machen zu lassen. Ich denke, das wird kein Problem. Was schickt man denn am besten dahin?“
„Am besten sind Haare. Getrennt verpacken und einsenden. Es reicht, Wolfgang, wenn du von dir eine Probe einschickst und von Laurent. Dann sieht es nach einem ganz normalen Vaterschaftstest aus.“
„Gut. Jean-Marie, du hast uns sehr geholfen, aber jetzt müssen wir uns erst mal sammeln. Wir melden uns. Und wenn du etwas Neues erfährst, melde dich bitte auch.“
„Natürlich. Ich denke an euch. Au revoir.“
Völlig betäubt bleiben wir sitzen. Sollten die Jahre vorbei sein, wo ich jedem Jungen forschend ins Gesicht geschaut habe? Jedes Mal wenn ich einen Jungen sah, der Maxi sein könnte, ging es mir schlecht. Sollten die Alpträume und der Knoten jetzt Geschichte werden?
Aber Wolfgang unterbricht meine Gedanken.
„Schatz, es ist nichts sicher. Wir wissen nur, dass Laurent von seinen Eltern in Frankreich adoptiert wurde und dass er in Rumänien in einem Kinderheim war. Ich weiß, dass alles passt, aber warte ab. Morgen früh, wenn die Kinder in der Schule sind, schleichen wir uns nach oben und suchen Haare auf seinem Kopfkissen. Danach sehen wir weiter. Mach dich nicht verrückt.“
„Ich soll mich nicht verrückt machen? Ich bin seit 9 Jahren verrückt. Jeden Jungen sehe ich an, ob er Maxi sein könnte. Familien mit drei Söhnen kann ich gar nicht ertragen. Und wenn Leon und Timo Freunde hier haben, sitzen drei Jungen am Tisch. Das halte ich oft fast nicht aus. Und jetzt ist vielleicht, nein sicher, Maxi wieder bei uns und ich soll mich nicht verrückt machen? Was denkst du, wie ich weiter machen soll?“
„Zuerst, als wäre alles wie immer. Stell dir vor, du überfällst ihn mit einer solchen Nachricht. Was passiert dann? Außerdem, wenn er Maxi ist, müssen wir zuerst mit den Eltern reden.“
„Mit den Eltern? Wir sind seine Eltern. Nicht die Leute in Frankreich. Nicht die Frau, die ihn als Ersatz für ihren toten Sohn nimmt, ist seine Mutter. Ich bin seine Mutter. Ich hatte ihn im Bauch und ich habe ihn geboren. Du warst bei seiner Geburt dabei. WIR sind seine Eltern. Er gehört uns. Ich gebe ihn nicht wieder her.“
Oh Mann, der Knoten kommt. Mit so einer Macht, dass er mir die Luft abschnürt. Ich kann nicht atmen. Der Würgereiz wird immer stärker und ich muss zur Toilette rennen.
Als ich mich übergeben habe und ins Wohnzimmer zurückkomme, sehe ich, dass Wolfgang am Tisch sitzt und weint.
2010 TAG 5 Zuhause
Irgendwie quälen wir uns durch die Nacht, bis wir am nächsten Morgen endlich aufstehen können.
Wolfgang beschließt noch im Bett um halb sechs, dass er heute zuhause bleibt. Ich bin erleichtert, denn ich bin ja immer noch krank gemeldet.
Irgendwie fühlen wir uns auch beide krank. Und ich empfinde gleichzeitig Euphorie. So sehr, dass ich fast nicht liegen bleiben kann.
Ich will aufstehen, zu meinem Sohn nach oben laufen, ihn aus dem Bett reißen und küssen und ihn in meinem Arm halten und ihn nie wieder los lassen. Ich glaube, dass Wolfgang mir genau ansieht, was in mir vorgeht.
Er umarmt mich und hält mich fest.
„Beruhige dich. Wir wissen nichts. Was, wenn der Test nicht nach deinen Wünschen ausfällt? Dann fällst du wieder in ein tiefes Loch. Aber Leon und Timo und auch ich, wir alle brauchen dich. Ich weiß, es klingt sehr egoistisch, aber du bist doch unsere Mutti.“
Ich muss lachen, denn er weiß genau, wie sehr ich das Wort Mutti in Zusammenhang mit meiner Person hasse.
Nach dem Duschen schleiche ich leise in die Küche, um für uns alle Frühstück zu machen.
Nach und nach trudeln alle Kinder und mein Mann ein. Wir sitzen zusammen am Frühstückstisch und ich habe ein weites Herz, mir ist
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