Bist du mein Kind? (German Edition)
Wenn wir das bewältigt haben, werden wir ihn auch über eure Identität aufklären. Aber ich muss sehen, wie er alles verkraftet. Deshalb kann ich dir keinen Zeitraum nennen.“
Ich bin erstaunt, dass sie mich plötzlich duzt. Aber gut. Ich werte es als Zeichen von Vertrauen und Sympathie.
„Ich will euch auch nicht unter Druck setzen. Es ist nur so, dass mein Bauch ganz gerne möchte, dass er weiß, wer wir sind. Aber mein Kopf ist schon vernünftig und warnt. Es wird vor allem auch für uns nicht leicht. Schließlich müssen wir ihm erklären, warum wir die Entführung nicht verhindern konnten und ich muss ihm erklären, warum ich in Belgien mit meiner unbeherrschten Reaktion seine Befreiung verhindert habe. Davor graut es mir. Aber ich kann ihm nur die Wahrheit sagen. Ob er es versteht, weiß ich nicht“.
Sie überlegt einen Moment und spricht dann ganz leise:
„Ich glaube, ganz tief in seinem Innern weiß er, dass ihr mehr seid, als Freunde aus Deutschland. Er hat wochenlang von euch geredet und jedes Mal hat er gestrahlt. Wir waren schon fast eifersüchtig.
Und jetzt in dieser Woche, redet er ständig von seinen Brüdern. Er sagt auch immer, es kommt ihm so vor, als würde er euch schon immer kennen. Und dass Timo und Leon sich anfühlen, als wären sie Brüder. Er hat ganz viele Fotos gemacht, von sich und Leon.
Porträts, Aufnehmen, wie sie nebeneinander hergehen, Bilder von ihrer beider Hände. Das hat er zu einer Collage zusammengeschnitten und als Hintergrundbild auf seinem PC. Als ich ihn fragte, was das zu bedeuten habe, hat er mir jedes einzelne Bild erklärt. Es ging jedes Mal um die physische Ähnlichkeit der Beiden. Also, da ist mehr in ihm als nur Freundschaft.“
Ich bin ein wenig erschrocken und sehe rüber zu Maxi. Dann erschrecke ich. Sein Blick ruht auf Isabelle und mir. Es kommt mir vor, als hätte er uns die ganz Zeit beobachtet. Er lacht mich an und
ruft mir zu:
„Wenn zwei Mütter flüstern, kommt bestimmt nichts Gutes dabei raus. Um was geht es denn?“
Isabelle ist schneller als ich, weil ich noch mit meinem Schreck kämpfe.
„Das geht kleine Jungs gar nichts an, du Rabauke!“
Er lacht und wendet sich wieder Timo zu.
„Wir sollten lieber nicht im Beisein der Kinder darüber reden, sonst schnappt Laurent doch noch etwas auf.“ Sie sieht mich an und scheint auf eine Antwort zu warten.
„Ja, du hast Recht. Vergessen wir das Thema für heute Abend und genießen einfach nur das gute Essen“.
Genau das tun wir. Wir futtern uns durch acht Gänge, die einer nach dem anderen köstlich sind. Jedes zweite Glas Wein kippen Isabelle und ich in die Blume hinter uns. Trotzdem wird die ganze Gesellschaft zunehmend albern.
Als wir beim Dessert angekommen sind, ist es tiefste Nacht und wir können gar nicht mehr ernst sein. Jeder macht sich über die anderen lustig und wir lachen, dass sich die Balken biegen.
Der Maître äußert sich mehrmals erstaunt darüber, dass wir Deutschen so lustig sein können. Er hatte gedacht, wir wären so preußisch. Und wieder lacht der ganze Tisch. Wenn ein Franzose das Wort „preußisch“ ausspricht, kann er nur Gelächter ernten.
Aber glücklicherweise ist er nicht beleidigt. Das ist gut.
Alles in allem genießen wir diesen überdrehten und total veralberten Abend sehr.
Als die Augen unserer Jungs immer kleiner werden und sie das Gähnen kaum noch unterdrücken können, mahnt Wolfgang zum Aufbruch.
Alle sind einverstanden und wir verlassen das Lokal. Ich habe nicht mitbekommen, wer die Rechnung bezahlt hat, hoffe aber inständig, dass es irgendjemand getan hat. Sie muss schrecklich hoch gewesen sein.
Maxi will unbedingt bei uns schlafen und redet auf „seine Eltern“ ein. Nach kurzer Diskussion gibt Claude seine Zustimmung.
Also marschieren Wolfgang und ich mit unseren Söhnen Richtung alte Schule und die anderen setzen sich in die entgegengesetzte Richtung in Bewegung.
Wir fallen alle todmüde ins Bett und schlafen auf der Stelle ein.
2010 Juli Tag 7 in Frankreich
Ich wache am nächsten Morgen mit einem leichten Ziehen auf der linken Seite des Kopfes auf. War wohl trotz aller Vorsichtsmaßnahmen noch zu viel Alkohol. Wie es wohl den anderen geht?
Die Uhr zeigt halb elf. Das ist spät. Schließlich ist heute unser letzter Tag in Frankreich.
Eigentlich wollte ich noch einen Ausflug mit meinem Mann und meinen Kindern machen, aber das können wir ja kaum noch schaffen, weil wir auch packen müssen und ein bisschen aufräumen.
Wenn
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