Bist du mein Kind? (German Edition)
ich mich recht erinnere, hat Isabelle uns für heute alle zum Essen zu sich eingeladen. Das passt mir ganz gut, weil ich dann hier nicht mehr so viel aufräumen und sauber machen muss.
Wohlig strecke ich mich im Bett aus. Einfach noch einen Moment liegen bleiben, sich einkuscheln und nicht denken.
Nicht denken?
Ja, das wäre schön. Aber diese kleinen fiesen Gedanken kommen trotz aller Gegenwehr ganz von allein.
Wie geht es jetzt weiter? Mit Maxi? Mit „seinen“ Eltern? Mit Jean-Marie, Wolfgang und mir? Was wird uns Auguste raten, das wir tun können? Welche Möglichkeit haben wir, wieder in unser altes gewohntes Leben zurück zu kehren? Und alle anderen Beteiligten?
Ich will nicht denken, weil ich keine Antworten weiß. Die werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht so leicht einstellen, wie diese dämlichen Fragen.
Ich beschließe, mich abzulenken und marschiere ins Bad.
Nachdem ich mein Morgenprogramm zur Restaurierung abgespult habe, „schreite“ ich die lange Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Dort habe ich dann eigentlich nichts zu tun.
Also, Autoschlüssel, Portemonnaie und ab zum Einkaufen.
Unterwegs im Auto schaue ich mir nochmal dieses bezaubernde Örtchen in der Vendée an. Die Katastrophe, die in der Bretagne begann, findet nun hier ein gutes Ende.
Na ja, ob es denn gut wird, bleibt abzuwarten, aber ich denke, es wird sich alles so fügen, dass wir alle damit leben können. Einzig und allein Jean-Marie und Wolfgang liegen mir schwer im Magen.
Mir gefällt dieser Ort hier so gut, dass ich überlege, ob wir hier nicht ein kleines Häuschen kaufen sollen. Mal sehen.
Nach meinem Einkauf fahre ich noch auf den Marktplatz um in der Bäckerei Brot zu kaufen. Als ich nach dem Einparken aussteige, steht Jean-Marie hinter meinem Auto.
Mein Herz klopft und ich fühle einen leichten Schwindel.
Er strahlt mich an und lacht sein von mir geliebtes Lachen.
„Was ist so lustig?“
„Ich kann sehen, wie aufgewühlt du bist, nur weil ich herumstehe und das freut mich. Deshalb lache ich“.
„Oh du französischer Schuft du. Warum kannst du in mir lesen wie in einem offenen Buch?“
„Weil ich der Mann deines Lebens bin?“
Ich schlucke.
„Mit dem bin ich ja nun seit vielen Jahren verheiratet. Also stehst du maximal auf Position zwei“.
„Nur weil du mit Wolfgang verheiratet bist, muss er nicht der Mann deines Lebens sein. Ihr Deutschen seid immer so pragmatisch. Wir Franzosen hören auf unser Herz. Und meins weiß genau, dass du die Frau meines Lebens bist“.
„Was für ein ausgesprochen intelligentes Organ. Mein Herz kann nur Blut pumpen und dafür sorgen, dass ich nicht tot umfalle. Du solltest nach deinem Tod unbedingt dein Herz der Forschung zur Verfügung stellen“.
Er lacht lauthals und umarmt mich.
„Dein Humor grenzt aber eher ans Englische. Bist du etwa doch nicht so deutsch?“
„In erster Linie bin ich Mensch. Mir Gefühlen, mit Ängsten, mit Sorgen und mit einem ganzen Packen Leben, den ich mit mir herumschleppe. Welche Nationalität ich habe, spielt doch keine Rolle. Außerdem muss ich jetzt Brot kaufen und dann Frühstück für eine Horde Männer machen“.
Er lächelt.
„Ich kauf das Brot und du machst Frühstück. Einverstanden?“
Ich nicke. Natürlich bin ich einverstanden. Ich möchte heute an unserem letzten Tag jede Sekunde mit ihm auskosten. Wer weiß, ob ich ihn wieder sehe? Eigentlich ist seine „Arbeit“ getan. Wir haben Maxi gefunden und alles wird gut, irgendwie.
Also steige ich wieder ins Auto und lausche der französischen Musik, die im Radio läuft. Ein paar der Lieder, die ich hier in dieser Woche gehört habe, gefallen mir ganz gut. Vielleicht kann mir Wolfgang
zuhause eine CD zusammenstellen.
Werde ich plötzlich frankophil? Oder hat das einfach mit den Emotionen hier an Ort und Stelle zu tun?
Ich kann das nicht zu Ende denken, denn die Beifahrertür öffnet sich und Jean-Marie steigt ein.
Ich sage kein Wort, weil mein Gehirn leer ist und ich seine Anwesenheit einfach nur spüren will.
Ihm scheint es auch so zu gehen.
Zurück in der alten Schule höre ich geschäftige Geräusche aus der Küche. Wolfgang pfeift eine Melodie, die Jungs decken den Tisch und auf der Terrasse thront Auguste.
Ich muss plötzlich lachen. Und zwar von ganzem Herzen. Leicht und frei.
„Ich werde euch alle in Deutschland schrecklich vermissen. Was soll ich nur tun, wenn ich beim Bäcker nicht mehr überfallen werde und wenn du Auguste nicht mehr wie
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