Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
sein.
    »Die sehen gar nicht so aus, als ob sie sich über ihre Befreiung freuen würden«, warnte Florian, aber er täuschte sich. Die Campingplatz-Atmosphäre konnte nicht verbergen, daß die Berufsnörgler unter den Fahrgästen bereits fleißig Zweckpessimismus verbreitet hatten, obwohl die Zugbegleiter immer wieder versicherten, daß man sie bald hier abholen und zur Grenze bringen werde.
    Herr van Lommel hatte seine Reisegruppe schnell gefunden und befand sich schon mit Florian auf der Rückfahrt nach Chiasso, als Tinchen noch über die Wiesen stolperte und ihre Schmetterlinge suchte. Im vorletzten Waggon entdeckte sie endlich Kofferschilder mit dem wohlbekannten Pfauenauge, aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie die dazugehörigen Besitzer aufgetrieben hatte.
    »In Kürze werden drei Busse hier eintreffen«, verkündete sie ihrem staunenden Auditorium. »Sie werden also mit nur wenigen Stunden Verspätung in Verenzi sein, was man in der gegenwärtigen Situation beinahe als kleines Wunder bezeichnen darf.«
    Der erwartete Beifall setzte auch sofort ein, und Tinchen nahm ihn mit einem dankbaren Lächeln entgegen. Ihr Selbstbewußtsein hatte sich in den letzten Minuten beträchtlich gehoben, denn offenbar war sie bisher die einzige, deren Rettungsmaßnahmen für die unfreiwillig Internierten von Erfolg gekrönt waren. Das schlechte Gewissen meldete sich zwar, wenn sie an Florian und seinen tatkräftigen Beistand dachte, aber der hatte letztlich keine offizielle Funktion und würde mit dem zu erwartenden Ruhm gar nichts anfangen können.
    Vor dem verfallenen Bahnhofsgebäude tauchte der erste Bus auf; die zwei kleineren folgten in längeren Abständen, weil sich die beiden Fahrer nicht über den Weg hatten einigen können, verschiedene Richtungen eingeschlagen hatten und erst am Ortsausgang wiederzusammengetroffen waren, wo sie sich für die dritte Möglichkeit entschieden hatten, die dann auch noch falsch gewesen war. Entschlossen, sich lieber weiterhin zu verfahren statt einen Schweizer nach dem Weg zu fragen, waren sie noch eine Zeitlang herumgeirrt, bis sie rein zufällig ein Nudistenpärchen und damit die Vorhut der Urlauber entdeckt hatten.
    »Wieviel Geld hast du bei dir?« brüllte Florian schon von weitem, kaum daß er seinen Wagen zum Halten gebracht hatte.
    »Für ein Mittagessen reicht es!« Selbst unter Berücksichtigung von Florians unstillbarem Appetit würde die Spesenkasse diese Belastung noch ertragen.
    »Wer redet von Pfennigen! Wir brauchen Fahrkarten! Ich habe die abreisenden Gäste erst mal fünf Kilometer vor Chiasso in einer Dorfkneipe deponiert, wo sie vermutlich alles kahlfressen werden, weil es nicht ihr Geld kostet, aber sie müssen mit einem regulären Zug weiterfahren, und dazu brauchen sie Fahrkarten. So viel Geld hat keiner mehr in der Tasche, und die wenigsten haben Euroschecks mit.«
    »Sehe ich aus wie ein wandelnder Tresor?«
    Eine berechtigte Frage, die Florian denn auch sofort verneinte.
    »Die Schmetterlinge haben ihren Urlaub einschließlich Rückfahrt bezahlt und somit keine Veranlassung, noch ein zweites Mal Geld hinzublättern«, entschied Tinchen.
    »Dann sitzen sie morgen noch hier! Euer Sonderzug fährt doch erst zurück, wenn alle Fahrgäste da sind, und der Himmel mag wissen, wann die letzten kommen. Alle Zufahrtsstraßen zur Grenze sind verstopft! Du kannst deine Leute nur mit einem normalen Zug nach Hause befördern, aber ohne gültige Fahrkarten keine Weiterfahrt, und ohne Geld keine Fahrkarten. Darin sind sich alle Bahnbeamten gleich. Kannst du nicht mal deine vorgesetzte Behörde anrufen?«
    Nach längeren Verhandlungen mit einer Dorfschönen, die gleichzeitig Vorsteherin der örtlichen Postfiliale, beamtete Telefonistin und Saaltöchterli des einzigen Gasthauses war, kam die Verbindung mit Frankfurt zustande: Doch, man werde sich sofort mit den zuständigen Beamten in Verbindung setzen, notfalls auch mit übergeordneten Instanzen, eine Regelung werde man auf jeden Fall finden, und Tinchen solle unbesorgt nach Chiasso zurückfahren. Sie habe alles großartig gemacht, man sei überaus zufrieden und habe sie schon für die Wintersaison in den Bayerischen Alpen vorgesehen. Jodelkenntnisse seien nicht erforderlich, und Skifahren könne man lernen.
    Tinchen bedankte sich lauwarm und wünschte Herrn Dennhardt im stillen die Pest an den Hals. Im Augenblick interessierte sie sich weder für Bayern noch für eine Verlängerung ihres Vertrags, sie wollte nichts

Weitere Kostenlose Bücher