Bitte Einzelzimmer mit Bad
zu sein. Dennhardt erhob sich vielmehr und meinte abschließend: »Dann wäre ja so weit alles klar zwischen uns. Ich muß Sie jetzt nämlich rauswerfen, weil ich gleich noch eine Aspirantin erwarte, die mir als Foto ein Baby auf dem Eisbärfell geschickt und als Fremdsprache Jodeln angegeben hat. Jetzt möchte ich gern wissen, ob sie inzwischen wenigstens schon zur Schule geht.«
Mit einem kräftigen Händedruck verabschiedete er sich. »Sie gehen jetzt erst einmal mit Fräulein Mair irgendwohin zum Auftauen. Mit ihr können Sie auch die ganzen Formalitäten erledigen, und wenn Sie noch Fragen haben, dann sind Sie bei ihr in den besten Händen.«
Er öffnete die Tür. »Sibylle, bringen Sie diesen Eisklotz möglichst schnell ins Warme und trichtern Sie ihm einen Grog oder Glühwein oder sonst irgend etwas Belebendes ein! Und kümmern Sie sich bitte um den Papierkram! Fräulein Ernestine ist engagiert!«
Tinchen drehte sich noch einmal um. »Weshalb betonen Sie eigentlich fortwährend meinen Vornamen, Herr Dennhardt? Gefällt er Ihnen so gut?«
»Und wie!« versicherte er grinsend. »Wer heißt denn heutzutage noch so? Werden Sie zu Hause wirklich Ernestine genannt? Tinchen würde viel besser zu Ihnen passen.«
»Eigentlich heiße ich doch Barbara!« Sie heulte beinahe, vor Zorn.
»Eine Barbara haben wir schon«, lehnte Dennhardt ab, »das gibt nur Verwechslungen. Und Tinchen ist auch viel hübscher, nicht wahr, Sibylle?«
»Ja, fast so schön wie Gottlieb Maria«, sagte Sibylle und schloß nachdrücklich die Tür. Dann zwinkerte sie Tinchen zu. »Er heißt tatsächlich so, ist aber gegen diese Namen ausgesprochen allergisch. Jedenfalls wissen Sie nun, wie Sie ihm den Wind aus den Segeln nehmen können. Jetzt wollen wir aber machen, daß wir aus diesem Gefrierschrank rauskommen. Soll Gottlieb ruhig mal Stallwache schieben. Der muß unter seinen Vorfahren einen Eisbären gehabt haben, weil ihm die Kälte überhaupt nichts ausmacht.«
Sie griff nach der Pelzjacke, die über einer Stuhllehne hing, und wickelte sich frierend hinein. »Meine Kollegin muß auch jeden Augenblick zurückkommen. Sie ist schon überfällig. Hoffentlich hängt sie nicht wieder im Fahrstuhl fest, der funktioniert nämlich auch nicht immer.«
Entschlossen schob sie Tinchen zur Tür hinaus. »Gehen wir zur Tränke. Dabei weiß ich schon gar nicht mehr, wie ich die ganzen Alkoholika zum Auftauen eigentlich verbuchen soll.«
»Am besten als Streusalz«, schlug Tinchen vor.
Eine Stunde später rührte sie versonnen in ihrem Glühwein – es war bereits der dritte –, fischte mit dem Löffel die Zitronenscheibe heraus und versuchte sich zu erinnern, ob sie in Italien jemals Zitronenbäume gesehen hatte. Auf jeden Fall gab es Palmen. Wuchs an denen auch was? Datteln oder so? Oder gab es die nur in Afrika? Egal, irgend etwas würde es schon geben, was man dort von den Bäumen pflücken und essen konnte. Natürlich nicht so etwas Profanes wie Kirschen oder Pflaumen. Etwas Exotisches mußte es schon sein. Richtig – Olivenbäume gab es ja massenweise. Olio Dante. Leider machte sich Tinchen nichts aus Oliven.
»Stimmt was nicht mit deinem Wein?«
»Meeresrauschen«, flüsterte Tinchen, »Wellenkämme und salzige Brise.«
»Ist das Zeug nicht süß genug?« Sibylle winkte dem Kellner. »Angelo, noch eine Portion Zucker!«
»Sei nicht so entsetzlich prosaisch, ich habe doch nur ein bißchen geträumt.« Langsam kam Tinchen in die Wirklichkeit zurück. Die bestand überwiegend aus rotem Plastikmobiliar und nannte sich ›Café Napoli‹.
»Träumen kannst du heute nacht. Mich interessiert im Augenblick viel mehr, ob du noch irgendwelche Fragen hast.« Sibylle hatte Tinchen schon beim ersten Glühwein das Du angeboten, »weil wir uns in unserem Laden eigentlich alle duzen. Mit Ausnahme des Chefs natürlich. Es klingt entschieden netter, wenn man ›du Idiot‹ sagt statt ›Sie Idiot‹.«
Das hatte Tinchen eingeleuchtet. Im übrigen hatte sie keine Fragen mehr. Sie war von Sibylle über alles informiert worden, was ihr wichtig erschienen und Tinchen ziemlich gleichgültig gewesen war. Mit dem Papierkram würde sie schon fertig werden, und dann sollte ihr ja in den ersten zwei Wochen noch ein Herr Harbrecht zur Seite stehen. Der war ein ganz alter Hase im Touristikgewerbe, hatte aber nach fast zwanzig Jahren Reiseleitertätigkeit im Dienste nahezu aller Branchenriesen nun endgültig die Nase voll und gedachte, sein ferneres Leben im
Weitere Kostenlose Bücher