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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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betreten.
    Heutzutage fuhr man ja nur noch Auto. Oder man reiste mit dem Flugzeug, was in der Praxis bedeutete, daß man von immer mehr immer weniger zu sehen bekam.
    Antonie gab sich einen Ruck und stand auf. »Ja, natürlich, Kind, ich gehe gleich morgen früh bei der Reinigung vorbei.«

[home]
    Kapitel 3
    B eklommen blickte Tinchen an dem Betonklotz empor und musterte die eintönige Fassade. Der Neubau schien gerade erst fertiggeworden zu sein und wirkte noch irgendwie unbewohnt. Das Messingschild mit dem eingeprägten Schmetterling glänzte auch ganz neu und verlor sich auf der großen Hinweistafel. Schaudernd dachte sie an Schlagzeilen wie ›Überfall im Hochhaus‹ oder ›Mörder kam mit dem Fahrstuhl‹ und sah sich schon als Balkenüberschrift im Tageblatt: ›Sekretärin mit Schal erdrosselt! Wir trauern um unsere Mitarbeiterin!‹ Quatsch! Erstens habe ich gar keinen Schal um, und zweitens ist es elf Uhr vormittags. Hochhausmörder kommen bloß bei Dunkelheit!
    Sie betrat den Lift und ließ sich in den achten Stock baggern. Der lange Flur war menschenleer und roch nach Farbe. In einer Ecke lag ein Haufen Sägespäne, in einer anderen welkte ein flüchtig ausgewickelter Alpenveilchentopf vor sich hin. ›Blumenhaus Kusentzer‹ stand auf dem Papier. Grabesstille herrschte – abgesehen natürlich von Tinchens Herzklopfen. Außerdem war es lausig kalt.
    Auf Zehenspitzen schlich sie vorwärts, sah geöffnete Türen, dahinter leere Zimmer, mittendrin eine geschlossene Tür mit der Aufschrift ›Personal-Toilette‹. Dann machte der Gang einen Knick, und dann kamen neue Türen. Hinter einer hörte man gedämpftes Husten.
    Gott sei Dank, dachte Tinchen, außer dem Blumentopf scheint es hier doch noch etwas Lebendiges zu geben.
    An der Tür prangte das nun schon hinlänglich bekannte Pfauenauge. Sie klopfte leise.
    »Wir sind keine Beamten, hier hat jeder sofort Zutritt!« klang es von drinnen.
    Erleichtert öffnete sie und sah sich einer jungen Dame gegenüber, die selbst unter Berücksichtigung der winterlichen Jahreszeit etwas merkwürdig gekleidet war. Ihre dicke Cordhose hatte sie in Pelzstiefel gestopft, dazu trug sie einen Rollkragenpullover, eine dreiviertellange Strickjacke und einen Schal. Schmetterling im Kokon, schoß es Tinchen durch den Kopf.
    »Sehen Sie mich nicht so entgeistert an«, lachte der Schmetterling, »in spätestens zehn Minuten werden Sie bereuen, daß Sie sich so elegant angezogen haben!«
    Flüchtig musterte sie Tinchens erdbeerfarbenes Jackenkleid, die dünnbestrumpften Beine und die hochhackigen Pumps. »Irrtum, schon nach
fünf
Minuten!«
    Aber auch das stimmte nicht, denn Tinchen fror bereits jetzt ganz erbärmlich.
    »Nun setzen Sie sich erst einmal«, sagte die Dame und wies auf ein Möbel aus Plexiglas, das auch in einer etwas wärmeren Umgebung nicht gerade anheimelnd gewirkt hätte. »Ich nehme an, Sie sind Fräulein Pabst. Herr Dennhardt telefoniert gerade, Sie müssen also noch ein paar Minuten warten. Inzwischen bekommen Sie erst einmal etwas Heißes.«
    Während sie aus einer Isolierkanne Tee in eine Tasse goß, plauderte sie munter weiter: »Den Architekten dieses Bauwerks sollte man hier lebendig einmauern! Der Kerl muß sein Diplom im Lotto gewonnen haben. Selbst ich als blutiger Laie weiß, daß warme Luft nach oben steigt und nicht nach unten, aber dieser neunmalkluge Mensch hat die Heizung in die Decke einbauen lassen! Zu allem Überfluß funktioniert sie nicht einmal. Seit drei Tagen suchen die Handwerker den Fehler. Wahrscheinlich sind sie schon längst erfroren!«
    Dankbar nahm Tinchen die Tasse entgegen.
    »Halt! Noch nicht trinken! Da muß erst Rum rein. Der ist in diesem Fall kein Genuß, sondern ein lebensnotwendiges Übel, aber ich habe heute früh bloß Verschnitt auftreiben können. Gestern haben wir uns mit Himbeergeist warmgehalten. Allerdings mußte der Laden schon mittags wegen Volltrunkenheit des Personals geschlossen werden. – Übrigens habe ich ganz vergessen, mich vorzustellen. Ich heiße Sibylle Mair, mit a-i-r.«
    »Ernestine Pabst«, sagte Tinchen höflich und hätte sich am liebsten sofort auf die Zunge gebissen. Sie hatte sich doch extra vorgenommen, Barbara zu sagen, und nun war ihr doch wieder diese verflixte Ernestine herausgerutscht. Hastig versuchte sie eine Ablenkung: »Wie lange hausen Sie denn schon in diesem Eiskeller?«
    »Seit einer Woche erst, aber mir kommt es vor wie eine Ewigkeit.«
    »Sind Sie hier ganz allein?«

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