Bitte Einzelzimmer mit Bad
Tinchen, »laßt mich doch erst einmal alles erzählen!«
Dann erzählte sie, und je mehr sie erzählte, desto länger wurde Antonie Pabsts Gesicht. Schließlich platzte sie heraus: »Das ist ja alles schön und gut, mein Kind, und ich verstehe auch, daß du gerne mal an die Riviera möchtest, aber dahin kannst du doch im Urlaub fahren. Die andere Sache klingt mir dagegen reichlich unseriös. Für so etwas Unsicheres willst du deinen schönen Posten bei der Zeitung aufgeben? Du mußt doch auch an die Zukunft denken!«
»Das tu ich ja, Mutsch, und deshalb will ich endlich mal raus! So einen Job wie beim Tageblatt finde ich jederzeit wieder, aber wann bekomme ich noch einmal die Chance, im Ausland zu arbeiten?«
»Da hat Tinchen vollkommen recht.« Herr Pabst lächelte seiner Tochter aufmunternd zu. »Soll sie doch ruhig ein paar Erfahrungen sammeln. Und nebenher lernt sie Italienisch. Fremdsprachen kann man heutzutage immer gebrauchen. Und was du mit unseriös meinst, Toni, das verstehe ich nicht. In der Touristikbranche arbeiten doch Tausende von Menschen. Glaubst du denn, das sind alles verkrachte Existenzen?«
»Na, ich weiß nicht, Ernst, Reisebegleiterin klingt doch wirklich etwas komisch – irgendwie so zweideutig.«
»Mutsch, ich bin Reise
leiterin
und nicht Begleiterin. Das ist ein himmelweiter Unterschied. So, und jetzt gehe ich ins Bett. Der Tag heute war doch ein bißchen anstrengend.«
»Gute Nacht, mein Kind«, sagte Antonie. »Es ist wohl besser, wenn du alles erst noch einmal überschläfst.«
Aber Tinchen hatte nichts zu überschlafen. Sie hoffte lediglich auf eine Erleuchtung, wie sie an diesen verflixten Führerschein herankommen könnte.
»Paps, kennst du einen besonders talentierten Fahrlehrer?« Tinchen ließ Honig auf das Brötchen tropfen, biß hinein und schrie auf. Dann murmelte sie vor sich hin: »Zum Zahnarzt muß ich vorher auch noch.«
Paps faltete seine Zeitung zusammen. »Wozu brauchst du einen Fahrlehrer? Mußt du deine Gäste persönlich nach Italien kutschieren?«
»Natürlich nicht.« In kurzen Worten erzählte sie alles Notwendige, unterließ aber nähere Angäben über den offenbar reichlich desolaten Zustand des Wagens, der in Verenzi auf sie wartete.
Herr Pabst schüttelte den Kopf. »Ich habe meinen Führerschein zwar innerhalb von zehn Tagen gemacht, aber damals haben sich die Leute auf den Straßen auch noch nach jedem Auto umgedreht. Vier Päckchen Chesterfield hat mich der ganze Spaß gekostet, und das Benzin mußte ich selber mitbringen. Dagegen erwartet ja die heutige Generation, daß man ihr diesen Freibrief für Fußgängermord zum achtzehnten Geburtstag auf den Gabentisch legt. – Du nicht, Tinchen, du warst eine rühmliche Ausnahme! Deshalb tut es mir auch leid, daß ich dir nicht helfen kann, aber ich kenne keinen Fahrlehrer, der Wunder vollbringt.«
»Frag’ doch mal Herrn Krotoschwil«, schlug Karsten vor.
»Wer ist das?«
»Na, dieser alte Knacker, der bei Oma im Haus wohnt. Du hast den bestimmt schon gesehen! Das ist so ein kleiner Dikker mit Glatze, der immer aussieht, als ob ihm die Petersilie verhagelt wäre. Soviel ich weiß, hat er irgendwo am Graf-Adolf-Platz eine Fahrschule. Am besten meldest du mich gleich mit an, vielleicht kriegen wir Mengenrabatt.«
»Erst machst du dein Abitur, Karsten, und dann können wir meinethalben über den Führerschein reden!« Herr Pabst warf seinem maulenden Sproß einen warnenden Blick zu und wandte sich wieder an Tinchen: »Das wäre wirklich eine Möglichkeit. An Herrn Krotoschwil habe ich gar nicht gedacht. Ruf ihn nachher mal an, fragen kostet ja nichts.«
»Ach, der nimmt dich bestimmt, Tinchen, das ist so ein netter Mann.« Frau Antonie goß sich die dritte Tasse Kaffee ein. »Als ich neulich das ganze Eingemachte zu Oma gebracht habe und mich mit den schweren Taschen abschleppen mußte, da hat er doch tatsächlich mitten auf der Straße umgedreht und mich bis vor die Tür gefahren. Sogar die Taschen hat er mir noch raufgebracht.«
»Ob diese gewiß anerkennenswerte Hilfsbereitschaft Aufschluß über seine Fähigkeiten als Fahrlehrer gibt, bleibt dahingestellt«, sagte Herr Pabst und schob seinen Stuhl zurück. »Seid ihr fertig, Kinder? Wenn ihr mitfahren wollt, müßt ihr euch beeilen!«
»Nicht mal in Ruhe frühstücken kann man!« Karsten stopfte sich zwei Brötchen in die Hosentasche und suchte den Tisch nach weiteren handlichen Nahrungsmitteln ab. »Jeden Morgen die gleiche Hektik!
Weitere Kostenlose Bücher