Bitte Einzelzimmer mit Bad
Bildungslücke?«
»Nein, eine Katastrophe! Wir können dir doch nicht auch noch einen Chauffeur stellen.«
»Was soll ich mit einem Chauffeur? Ich habe Beine bis zum Boden und eine gute Kondition.«
»Die wirst du auch brauchen, wenn die Karre mal wieder nicht anspringt. Ansonsten meldest du dich morgen in einer Fahrschule an, paukst keine italienischen Vokabeln mehr, sondern Verkehrsregeln und hast spätestens am 30. März deinen Führerschein.«
»Das klappt nie!« Entsetzt wehrte Tinchen ab. »In acht Wochen ist das überhaupt nicht zu schaffen.«
»Ich habe meine Fahrprüfung sogar nach sechs Wochen gemacht«, sagte Sibylle, »und auf Anhieb bestanden. Allerdings mit privater Nachhilfe. Hast du nicht jemanden, der dir ein paar Privatstunden gibt? Vater, Bruder, Freund oder einen anderen Mitmenschen mit pädagogischen Fähigkeiten und einem schrottreifen Wagen?«
»Nein!« versicherte Tinchen im Brustton der Überzeugung, und damit hatte sie zweifellos recht. Immerhin hatte Florian schon einmal versucht, sie in die Geheimnisse des Autofahrens einzuweihen. Die dabei entstandene Beule im rechten Kotflügel seines Käfers hatte ihn kaltgelassen. »Sie stellt lediglich die optische Symmetrie des Wagens wieder her«, hatte er Tinchen beruhigt, »im linken ist ja auch schon eine.« Auch die verbogene Stoßstange hatte er noch hingenommen. Aber dann hatte Tinchen den falschen Gang erwischt, war in zügigem Tempo rückwärts die Bordsteinkante sowie zwei Treppenstufen raufgefahren und hatte den Auspuff demoliert. »Wenn überhaupt, dann lerne Panzer fahren! Da hast du noch Überlebenschancen!« hatte Florian erklärt und sie auf den Beifahrersitz verbannt.
Sibylle hatte sich milde lächelnd die blumenreiche Schilderung angehört. »Autofahren kann jeder Trottel lernen. Da ich dich nunmehr für einen solchen halte, wirst du es auch lernen. In Verenzi steht ein kleiner Fiat, der zum Inventar gehört und steuerlich absetzbar ist. Du wirst ihn gefälligst benutzen, und sei es auch nur aus dem Grund, daß die Mühle demnächst wieder im Freien parkt. Der Mietvertrag für die Garage läuft im März ab. Wenn der Wagen dann nicht regelmäßig bewegt wird, rosten auch noch die Stellen, die jetzt noch halbwegs intakt sind.«
»Glaubst du wirklich, ich setze mich freiwillig in solch einen Schrotthaufen? Lieber laufe ich!«
»Nur wer das Kopfsteinpflaster von Verenzi kennt, weiß, wie die Füße leiden«, rezitierte Sibylle in freier Interpretation den Geheimen Rat aus Weimar. »Und vergiß nicht, fünfundzwanzig Grad im Schatten gelten als durchaus gemäßigte Temperatur!«
»Dagegen hätte ich jetzt auch nichts einzuwenden.« Tinchen trat von einem Fuß auf den anderen, aber wärmer wurde ihr trotzdem nicht.
»Dann verschwinde, bevor du festfrierst! Alles andere kriegst du schriftlich! Tschüß und gute Heimfahrt!« Ein kurzes Winken, dann war Sibylle hinter der gläsernen Eingangstür verschwunden.
Im Zug ließ Tinchen sich alles noch einmal durch den Kopf gehen. Sie war rundherum glücklich und hätte sich liebend gern mit einem ihrer Mitreisenden unterhalten, aber die anderen Fahrgäste hatten ihre Gesichter in Leerlaufstellung. So zog sie lustlos das umfangreiche Buch aus der Tasche, für das sie vorhin 38 Mark auf den Ladentisch geblättert hatte, und schlug es auf. ›Die Blütezeit italienischen Kunstschaffens begann in der Frührenaissance. Als herausragendster Vertreter der Baukunst gilt bis heute …‹
Und das 531 Seiten lang! dachte Tinchen leicht erschüttert, klappte ihre Neuerwerbung wieder zu und machte sich auf die Suche nach dem Speisewagen.
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Kapitel 4
D ie Neuigkeit schlug wie eine Bombe ein! Karsten starrte seine Schwester mit weit aufgerissenen Augen an, haute sich auf die Schenkel und wieherte los:
»Was
willst du werden? Reiseleiterin? Heiliger Christophorus, steh den Touristen bei! Stellt euch doch bloß mal unser Tinchen vor, wie sie mit Flüstertüte vorm Schnabel und Spickzettel in der Hand zwischen den Ruinen von Pompeji steht und den Leuten die Badesitten der ollen Römer erklärt. Ich könnte mich totlachen!«
»Blöder Affe!« war alles, was Tinchen dazu zu sagen hatte. Aber auch Herr Pabst meldete Bedenken an. »Glaubst du wirklich, daß du so etwas kannst? Normalerweise benimmst du dich in fremder Umgebung doch immer wie ein herrenloser Hund, und jetzt willst du die Verantwortung für eine ganze Reisegruppe übernehmen?«
»Ihr habt ja gar keine Ahnung«, protestierte
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