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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Schwarzwald zu verbringen. Vorher würde er Tinchen aber noch über die Anfangsschwierigkeiten hinweghelfen.
    »Hast du dir schon überlegt, an welchem Stiefelteil du dich etablieren möchtest? Riviera oder Adria? Noch kannst du es dir aussuchen.« Tinchen überlegte nicht lange. »Die Adriaküste kenne ich rauf und runter, also sehe ich mir lieber mal die andere Seite an.«
    »Wie du willst. Da kämen drei Orte in Frage, nämlich Cardicagno, Verenzi und San Giorgio. Cardicagno würde ich dir nicht empfehlen. Das ist ein ziemlich ödes Kaff in der Nähe von Rapallo. Im übrigen ist dort auch unsere holländische Konkurrenz vertreten und überschwemmt den ganzen Ort mit dicken Frauen in geblümten Sommerkleidern. Das ist nichts für dich!«
    Sibylle bestellte zwei Espresso. »Es wird Zeit, daß wir wieder nüchtern werden! Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, Cardicagno. Das haken wir also gleich ab. Bleiben noch Verenzi und San Giorgio. Beide Orte liegen nur sieben Kilometer auseinander und ziemlich genau in der Mitte zwischen Genua und San Remo.«
    Tinchen schüttelte den Kopf. »Ich kenne keines von den Nestern. Also ist es mir Wurscht, wohin ich komme. Wozu würdest du mir denn raten?«
    Sibylle überlegte nicht lange. »Verenzi. Da gibt es einen erstklassigen Friseur. Außerdem können wir dich im Hotel Lido einquartieren, das ist eine unserer Nobelherbergen. Der Besitzer ist übrigens Deutscher. Mit dem kannst du wenigstens quasseln, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Aber bei deinen perfekten Sprachkenntnissen bist du darauf sicher nicht angewiesen.«
    Tinchen schluckte. »So furchtbar weit her ist es damit ja gar nicht. Wenn Herr Dennhardt mich auf die Probe gestellt hätte, wäre ich fürchterlich auf die Nase gefallen. Ich habe die ganze Zeit Blut und Wasser geschwitzt.«
    »Und das auch noch völlig umsonst. Gottlieb spricht zwar fließend Spanisch, aber auf Italienisch kann er bloß fluchen.« Mißtrauisch beäugte Sibylle ihren Kaffee und äußerte die Befürchtung, man habe die Ingredienzen aus dem Reformhaus bezogen. »Schmeckt wie aufgebrühte Sonnenblumenkerne!«
    Tinchen kicherte.
    »Mach dir wegen der eventuellen Sprachschwierigkeiten keine Sorgen. Seit fünfundzwanzig Jahren ist die Riviera fest in deutscher Hand. Inzwischen versteht dort beinahe jeder Schuster deutsch.«
    »Trotzdem werde ich mich gleich morgen in der Berlitz-School anmelden«, versprach Tinchen.
    »Das lohnt sich doch gar nicht mehr! Kümmere dich lieber ein bißchen um das, was da unten wächst, kriecht und krabbelt. Es kann durchaus passieren, daß dir jemand ein halbverwelktes Blatt unter die Nase hält und von dir wissen will, von welchem Gestrüpp es stammt und ob es auch bei ihm in Wuppertal auf dem Balkon anwächst.«
    »Auch das noch! In Biologie hatte ich immer eine Vier.«
    »Du brauchst ja nicht die ganze südliche Flora zu kennen. Es genügt schon, wenn du eine Pinie von einer Agave unterscheiden kannst. Trichtere dir sicherheitshalber ein paar lateinische Pflanzennamen ein, und dann bete, daß dir nicht gerade ein engagierter Botaniker über den Weg läuft.«
    Sibylle stand auf. Dem herbeieilenden Kellner erklärte sie, daß die Rechnung ›wie üblich‹ abzufassen sei und ohnehin erst später bezahlt werden würde. »Vielleicht kann ich dem Knaben doch eines Tages begreiflich machen, daß er diese Wartezimmerstühle rausschmeißen und ein paar anständige Sessel hinstellen muß, wenn er noch ein paar Gäste mehr haben will. Nächste Woche zieht unsere übrige Belegschaft um, und dann könnte diese Pinte durchaus unser Stammlokal werden. Schmetterlinge sind bekanntlich gefräßige Tiere. Aber mach das mal diesem Neapolitaner klar! Der hält sein Plastik-Interieur für das Nonplusultra in der Eisdielenbranche.«
    Auf der Straße sah sich Sibylle suchend um. »Wo steht dein Wagen?« Tinchen lachte. »Als treuer Bürger dieses Staates halte ich mich an das Energiesparprogramm und fahre Bundesbahn. Von wegen Auto! Ich hab’ nicht mal einen Führerschein!«
    »Was hast du nicht?« Sibylle blieb mitten auf dem Fahrdamm stehen und zwang den heranrasenden Mercedesfahrer zu einem waghalsigen Ausweichmanöver, untermalt von Kommentaren, die auf einen bedauerlichen Mangel an Kinderstube schließen ließen. Mit zwei Sprüngen rettete sie sich zurück auf den Gehsteig. »Sag’ das noch mal ganz deutlich! Du hast wirklich keinen Führerschein?«
    »Ganz bestimmt nicht«, bestätigte Tinchen. »Ist das etwa eine

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