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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Kaiser und Könige wann in welchen Hotels residiert hatten, wo der Fürst XY und der Erbprinz von Sowieso abgestiegen waren … Ob das die Touristen von heute wirklich noch interessierte? Schumann sagt ja. Blödsinn, ich kann doch nicht den ganzen Gotha auswendig lernen! Überhaupt war es eine Schnapsidee, am Sonntag ins Büro zu kommen und arbeiten zu wollen. Lilo hatte sich ja auch nicht blicken lassen. Angeblich wollte sie nach San Giorgio, weil es irgendwelche Beschwerden gegeben hatte. War sicher bloß eine Ausrede!
    Tinchen stopfte die Prospekte wieder in den Schreibtisch. Die konnten warten! Vor Mitte Mai würden sowieso noch nicht genug Gäste da sein, um einen ganzen Ausflugsbus zu füllen, denn es gab ja auch genügend Individualisten, die auf organisierte Freizeitgestaltung verzichteten und lieber auf eigene Faust loszogen.
    Sorgfältig drehte sie den Schlüssel zweimal herum, obwohl ein fester Schlag mit dem Handballen genügt hätte, das altersschwache Schloß der Bürotür zu sprengen, und machte sich auf den Weg zu Signora Ravanelli – zu deutsch: Radieschen. Diese nicht eben schlank zu nennende Dame unbestimmbaren Alters war Inhaberin eines kleinen Obst- und Gemüseladens, in dem Tinchen ihren täglichen Vitaminbedarf zu decken pflegte. Die Konversation verlief in der Regel sehr einseitig und wurde überwiegend von Frau Radieschen bestritten.
    Sie grinste erfreut, als Tinchen den etwas schmuddeligen Laden betrat, und begrüßte sie mit einem Wortschwall, der ihr jede Hoffnung nahm, jemals die Landessprache zu erlernen. Sie begriff kein Wort.
    »Vorrei, per favore, due arangio«, verlangte sie schüchtern.
    »Si, Signorina!« Frau Radieschen grub unter einem Berg von Petersilie zwei Orangen aus und reichte sie über den Ladentisch. »Fa un tempo splendido!« setzte sie die Unterhaltung fort.
    »Si«, nickie Tinchen glücklich, denn diesmal hatte sie verstanden, und daß das Wetter herrlich war, ließ sich nicht bestreiten.
    »Ma ieri sera à piovuto!«
    »Si«, erwiderte Tinchen; gestern abend hatte es wirklich geregnet.
    Nun kam wieder eine Frage, deren Sinn im dunkeln blieb. »Si, si«, antwortete Tinchen bereitwillig, was sie aber Sekunden später bereute, denn es schien sich um ein Verkaufsangebot gehandelt zu haben. Signora Ravanelli drückte ihr ein Bund Zwiebeln in die Hand und fing an, Tomaten in eine Tüte zu füllen.
    »No, grazie, Signora, e Arrivederci«, stammelte Tinchen entsetzt, legte ein paar Münzen auf den Tisch und ergriff die Flucht, bevor Frau Radieschen das nahrhafte Stilleben durch Lauchstengel oder Blumenkohl ergänzen würde. Immerhin war es schon ein paarmal vorgekommen, daß sie einen Armvoll Gemüse in der Hotelküche abliefern mußte. Offenbar war Signora Ravanelli davon überzeugt, daß Tinchen zu jener Gruppe jugendlicher Camper gehörte, die vor Verenzis Toren ihre Zelte aufgeschlagen hatten und sich überwiegend von mitgebrachten Konserven und Chianti ernährten. Es war ihr noch nicht gelungen, Signora Radieschen von ihrem durchaus seriösen Beruf zu überzeugen, was natürlich in erster Linie daran lag, daß die gute Frau vermutlich aus den unteren Schichten der Bevölkerung stammte, nur den einheimischen Dialekt beherrschte und von dem klassischen Italienisch, wie Tinchen es sprach, wenig oder gar nichts verstand.
    Langsam schlenderte sie die Strandpromenade hinauf, als neben ihr ein wohlbekanntes Auto bremste. »Steig ein!« rief Lilo, während sie mit einem wohlgezielten Fußtritt von innen die Beifahrertür öffnete. »Die klemmt mal wieder!«
    Tinchen quetschte sich in den Fiat und zog die Tür heran. Prompt sprang sie wieder auf. »Jetzt mußt du sie schon zuhalten!« Lilo trat aufs Gas. »Vorhin habe ich fünf Minuten gebraucht, um sie mit zwei Papiertüchern festzustopfen.«
    »Was war denn drüben los? Oder bist du gar nicht in San Giorgio gewesen?«
    »Natürlich, ich komme ja gerade zurück. Nach dem Geschrei, das diese Frau Malinowski am Telefon angestimmt hatte, glaubte ich schon, es handele sich um einen mittelschweren Wasserrohrbruch. Dabei war’s bloß das übliche: Die Dusche tropfte, und deshalb konnte die gute Frau nachts nicht schlafen. Inzwischen hatte der Hausknecht. längst Abhilfe geschaffen.«
    »Dann war doch alles in Ordnung!«
    »Eben nicht! Die Dame legte Wert auf deutsche Gründlichkeit und nicht auf landesübliche Improvisation. Weißt du, welche geniale Idee der Kerl gehabt hat? Anstatt den Duschkopf auszuwechseln, hat er bloß

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