Bitte Einzelzimmer mit Bad
zurück, um Gepäck zu holen. Kofferschilder nicht mehr zu entziffern, weil Schrift vom Regen zerlaufen. Haben zusammen alle Hotels abgeklappert und Gäste aufgefordert, Kollektion im Bus zu besichtigen und Eigentum herauszusuchen. Hat beinahe bis Mitternacht gedauert.
Ein Koffer ist übriggeblieben, steht jetzt im Büro. Hoffe, Besitzer ist verständnisvoller junger Mann und nicht alte Dame, die Flanellnachthemd braucht.
Wolken reißen auf. Schumann sagt, morgen scheint wieder die Sonne.
14. April
Koffer ist abgeholt worden, rothaarige Besitzerin hatte ihn gestern noch gar nicht vermißt. Sie nächtigte angeblich im Zimmer ihrer Nachbarin, die auf der Herfahrt eine Gallenkolik gehabt haben soll.
Anhand der Ankunftsliste festgestellt, daß nur noch zwei
Herren
für die Pension Bellevue gebucht haben.
17. April
Große Aufregung! Dame von Strandhotel vermißte wertvollen Ring. Beschuldigte Zimmermädchen. Zimmermädchen beschuldigte Putzfrau. Putzfrau beschuldigte Etagenkellner. Ich mußte Risotto und interessanten Mann stehenlassen und zum Tatort fahren. Ring immer noch weg. Alle Verdächtigten hochgradig empört. Übersetzte ihr »stupido cretino« mit »Wir sind unschuldig«. Dame zum Glück der italienischen Sprache nicht mächtig. Sonntags Carabinieri nicht erreichbar. Habe Opfer zu einem Grappa auf Spesen eingeladen. Will Ring trotzdem wiederhaben. Muß mich morgen drum kümmern.
Interessanter Mann in der Zwischenzeit natürlich verschwunden.
18. April
Ring ist wieder aufgetaucht. Dame hatte ihn bei abendlicher Schönheitspflege im Cremetopf entdeckt, wo sie ihn aus Angst vor Dieben eingegraben hatte. Beklagte ihr mangelndes Erinnerungsvermögen. Verdächtigte Angestellte weniger an Entschuldigung interessiert als an Trinkgeld. Bekamen beides.
Interessanten Mann wiedergesehen. Saß mit Lilo im Strandsafe. Und mir hatte sie erzählt, daß sie nach San Giorgio fährt!
20. April
Heute erstes Sonnenbad genommen. Wasser zum Baden noch zu kalt. Leider. Muß dringend abnehmen, damit ich in den neuen Badeanzug passe. Wasser zehrt! Andererseits: Wenn Schwimmen so gut für die schlanke Linie ist, wie soll man sich dann den Wal erklären? Diesmal schon 32 Schmetterlinge angekommen. Habe einigen erklären müssen, daß Hotels Vorder- und Rückseiten haben und nicht alle Zimmer Ausblick zum Meer bieten. Besonders Verdrossenen empfohlen, den nächsten Urlaub auf einer kleinen Insel zu verbringen.
22. April
Vorhin heftiges Gewitter. Nach dem dritten Donnerschlag gingen überall die Lichter aus. Schumann sagt, das sei hier unten üblich. Warum, weiß er nicht. Habe festgestellt, daß es nur dann romantisch ist, bei Kerzenlicht zu essen, wenn man es nicht muß.
Will morgen mit Lilo die Route nach Nizza abfahren. Müssen ja wissen, was da auf uns zukommt. Habe schon fleißig Schularbeiten gemacht. In San Remo gibt es eine romanische Kirche aus dem 13. Jahrhundert, in Nizza ein Chagall-Matisse-Museum sowie eine ganze Menge Trümmer aus der Römerzeit. Hoffe sehr, daß die Schmetterlinge, wie es sich letztlich gehört, mehr Interesse für den Blumenmarkt zeigen. Hätte im Geschichtsunterricht eben doch besser aufpassen müssen!
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Kapitel 7
T inchen saß in ihrer ›Röhre‹, wie sie das schmale Büro insgeheim nannte, und blätterte in den Prospekten. In jedem Nest, das sie gestern auf ihrer Fahrt entlang der Küste durchquert hatten, war als erstes die Kurverwaltung angesteuert und alles eingesammelt worden, was an Gedrucktem herumgelegen hatte – einschließlich des Eisenbahnfahrplans und der Impfvorschriften für reisende Haustiere.
Auf dem Fußboden hatte sie eine große Straßenkarte ausgebreitet, anhand derer sie nun ihre Unterlagen sortierte. »Albenga kommt vor Alássio, Laiguéglia liegt dahinter, dann kommt San Remo … nee, dazwischen liegt noch Diano Marina, das war doch der Ort mit dem künstlich aufgeworfenen Sandstrand … dann San Remo, Bordighera … zum Donnerwetter noch mal, wer soll sich denn das alles merken?«
Wütend feuerte sie die Prospekte in die Ecke und griff nach einer Zigarette. Warum hatte ausgerechnet
sie
die Frankreich-Tour übernehmen wollen? Zur anderen Seite hin nach Genua und Portofino gab es bestimmt nicht so viele Badeorte, und die Sehenswürdigkeiten hielten sich auch in Grenzen. Aber nein, sie mußte sich ja Frankreich aussuchen! Das hatte sie jetzt davon! Allein in ihrem Reiseführer wurde San Remo auf fünf Seiten abgehandelt! Welche
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