Bitte Einzelzimmer mit Bad
Konversation: »Machen Sie diesen Job schon lange?«
»Wie man’s nimmt«, entgegnete Tinchen vage. Auf keinen Fall wollte sie ihre Kompetenz in Frage gestellt sehen, andererseits fühlte sie sich noch nicht sattelfest genug, um sich auf längere Diskussionen über den Beruf eines Reiseleiters einzulassen. Angestrengt suchte sie nach einem unverfänglicheren Gesprächsthema. »Wie gefällt es Ihnen denn in Verenzi?«
»Och, soweit ganz gut«, meinte Paul, »is bloß zuviel Wasser da und zuwenig Gegend. Letztes Jahr waren wir in Venedig. War sehr schön, bloß von den Gondolieri war ich enttäuscht. Bei denen is endgültig der Gesang ausgestorben. Jeder hatte ein Transistorradio dabei. Aber wir haben viel gesehen. Sogar in Florenz waren wir, weil man ja auch mal was für die Bildung tun muß. Hier gibt’s wohl nichts zum Besichtigen? Ich muß noch was für meinen Dia-Abend zu Hause haben. Wenn da nicht ein paar Bilder mit Kultur darunter sind, hält man uns ja für richtige Banausen!«
Tinchen überlegte. »Waren Sie schon im Karmeliter-Kloster? Das liegt bei Loano. Auch die Grotte von Toirano ist sehenswert.«
»Nee, Fräulein, Tropfsteinfotos habe ich schon. Mit dem Kegelklub waren wir dieses Jahr auf der Schwäbischen Alb in der Bärenhöhle. Is aber nicht viel bei rausgekommen, weil es zum Fotografieren zu dunkel war.«
»Paul, zieh mir mal den Reißverschluß zu, ich komm hinten so schlecht ran!« Die Kabinentür hatte sich geöffnet, und Tinchen fielen fast die Augen aus dem Kopf. Ungefähr 170 Pfund Lebendgewicht steckten in hautengen Slacks, die mindestens zwei Nummern zu klein waren.
»Die Konfektionsgrößen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren«, behauptete Trudi und betrachtete zweifelnd ihr Spiegelbild, »vierundvierzig hat mir immer gepaßt!«
Taktvoll bemerkte Tinchen: »Die italienischen Maße stimmen mit den deutschen nicht überein. Hier muß man immer zwei Nummern größer nehmen.«
»Dann bin ich ja beruhigt«, strahlte Trudi.
Ihr Mann sah die Sache anders. »Zieh diese albernen Dinger aus! Capri-Hosen sind nichts für dich, Trudi. Capri ist eine Insel, kein Erdteil!«
»Scusi, Signora, aber Sie müssen wählen andere Farbe! Diese Rot paßt nicht zu Ihre schöne blonde Haar!« Lorenzo war mit Tinchens Bluse aus einem der hinteren Räume gekommen und überblickte sofort die Situation. Er griff zu einer dunkelblauen Popelinehose, die abseits auf einem Bügel vor sich hinstaubte und ganz offensichtlich ein Ladenhüter war. »Probieren diese, Signora! Werden sehen, sitzt exzellent!«
Das tat sie nun ganz und gar nicht, aber Trudi verließ sich mehr auf Lorenzos Urteil als auf den Spiegel, und als Lorenzo nach längerem Feilschen einen Preisnachlaß gewährte, war auch der Dicke ausgesöhnt. Schließlich schied man in der gegenseitigen Überzeugung, ein gutes Geschäft gemacht zu haben.
»Den Rabatt verjubeln wir«, bestimmte Paul. »Darf ich Sie einladen, Fräulein … wie heißen Sie eigentlich?«
»Tina Pabst«, sagte Tinchen, inzwischen daran gewöhnt, von allen Italienern mit ›Signorina Tina‹ angesprochen zu werden.
»Angenehm. Ich bin Paul Stresewitz aus Pirmasens, und das ist meine Gattin Gertrud. Und nu sagen Sie uns mal, wo man anständig Kaffee trinken kann! Wir haben nämlich bloß Halbpension und essen immer erst abends.«
Dafür aber die dreifache Menge, dachte Tinchen mit einem Blick auf die beiden rundlichen Gestalten, die sie jetzt in die Mitte genommen hatten und darauf warteten, welche Richtung Tinchen einschlagen würde. Sie entschied sich für Anselmos Café-Bar. »Dort gibt es die größte Auswahl an Kuchen.«
Trudi winkte ab. »Da waren wir schon. Der Kuchen schmeckt nicht. Wir nehmen uns von unterwegs welchen mit.«
Bevor Tinchen protestieren konnte, war Trudi in der nächsten Pasticceria verschwunden und kam kurz darauf mit einem umfangreichen Paket wieder heraus. »Halten Sie mal! Was heißt Schlagsahne auf italienisch?«
»Panna montata.«
»Das kann ich mir wenigstens merken.« Wieder trabte sie in die Konditorei. Paul sah ihr kopfschüttelnd nach. »Können Sie ihr nicht mal klarmachen, Fräulein Tina, daß sie zu fett ist? Mir glaubt sie es nämlich nicht.«
»Seien Sie nicht so ungalant. Von einem bestimmten Alter an darf man ruhig etwas mollig sein. Ihrer Frau steht das sogar sehr gut«, schwindelte Tinchen. Immer höflich zu den Gästen sein, auch wenn Sie sich deshalb auf die Zunge beißen müssen, hatte Dennhardt ihr seinerzeit als
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