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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Straßenbahn!« knurrte Tinchen bissig. »Im übrigen war ich zuerst hier. Wenn also jemand Fragen stellt, dann ich! Was wollen Sie?«
    »Ich möchte zu Herrn Harbrecht!« Er sprach ein nahezu akzentfreies Deutsch.
    »Wenn Sie sich beeilen, können Sie noch die 17-Uhr-Maschine nach Catania erreichen. Wie lange Sie dann bis Taormina brauchen, weiß ich allerdings nicht. Sonst noch was?« Sie beugte sich wieder über ihre Listen.
    Jetzt kam Bewegung in den Kleiderständer. Er klappte zusammen und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Herr Harbrecht ist nicht mehr hier?«
    »Das sagte ich doch gerade!«
    »Maledetta porcheria!«
    »Meinethalben können Sie ruhig auf deutsch fluchen!«
    »Entschuldigung, Signora, aber das ist wirklich zu ärgerlich. Jetzt komme ich extra aus Turin herunter, nur um zu erfahren, daß ich nicht gebraucht werde.« Er deutete auf Lilos Schreibtisch. »Wie ich sehe, haben Sie schon eine Hilfe.«
    Plötzlich klickerte es bei Tinchen. Hatte Harbrecht nicht beiläufig einen Germanistikstudenten erwähnt, der während seiner Semesterferien als Mädchen für alles zur Verfügung stehen würde? Wenn das stimmte und dieser gutaussehende Mensch da wirklich jener Sergio war, dann hatte sie sich mal wieder gründlich in die Nesseln gesetzt! Falls überhaupt, so hatte sie mehr an ein bebrilltes unterernährtes Knäblein gedacht, das Geschichtszahlen herunterleiern und alle heimischen Gewächse mit den botanischen Namen belegen konnte und bestenfalls als wissenschaftliche Autorität auf den Sightseeing-Touren zu verwenden sein würde. Aber dieser Reiseprospekt-Adonis sah nicht so aus, als ob ihm viel an der Betreuung wissensdurstiger älterer Damen gelegen sei. Wenigstens sprach er fließend Italienisch und war somit prädestiniert, die Verhandlungen mit hartnäckigen Hoteliers zu führen. Je weiter die Saison voranschritt, desto mehr Zimmer schienen plötzlich renovierungsbedürftig zu sein. Auch eine unerklärliche Epidemie hatte offenbar den Ort befallen, weil erstaunlich viele Gäste krank geworden waren und nun gezwungenermaßen ihre Abreise verschieben mußten. Allerdings war noch kein Schmetterling von dieser rätselhaften Krankheit heimgesucht worden; vielmehr handelte es sich bei den Bedauernswerten ausschließlich um jene Touristen, die auf eigene Faust angereist waren, in der Regel erheblich mehr zahlten und sich natürlich bei ihren Gastgebern größerer Sympathie erfreuten. Tinchen hatte schon erbitterte Kämpfe ausgefochten und sich auf das vereinbarte Zimmerkontingent berufen, war aber gerade in den letzten Tagen mehrmals mit einem Schulterzucken abgefertigt worden. Man kann doch einen Fiebernden nicht einfach aus dem Hotel werfen, nicht wahr? Dafür mußte die Signorina doch Verständnis haben! Selbstverständlich war es unangenehm, daß gerade dieses Zimmer ab morgen für zwei Schmetterlinge reserviert gewesen war, aber Krankheit sei schließlich höhere Gewalt; und bei höherer Gewalt sei man nicht mehr zuständig, das stehe im Vertrag!
    »Scusi, Signora, aber könnten Sie mir wohl die genaue Anschrift von Herrn Harbrecht geben?«
    Tinchen schreckte hoch. Wo, zum Kuckuck, war sie bloß wieder mit ihren Gedanken gewesen? Vor ihr saß dieser rettende Engel, der sich in dem Laden hier auskannte, viel mehr Charme und bestimmt auch mehr Durchsetzungsvermögen hatte als sie, der italienisch sprach, Auto fahren konnte und wahrscheinlich auch ein Patentrezept für berufsmäßige Querulanten wußte, und sie, Tinchen, fertigte ihn ab wie einen Reisenden in Hosenträgern.
    Sie stand auf, umrundete den Schreibtisch und streckte mit zerknirschter Miene ihrem Besucher die Hand entgegen. »Seien Sie bitte nicht böse, weil ich Sie nicht gleich richtig eingeordnet habe. Natürlich weiß ich, wer Sie sind! Herr Harbrecht hatte Sie ja angekündigt. Und ich bin heilfroh, daß Sie da sind! Uns wächst der Kram hier langsam über den Kopf. Ich kriege einfach die notwendigen Zimmer nicht zusammen!«
    »Die alljährliche Grippe-Epidemie, nicht wahr?«
    »Woher wissen Sie …?« fragte sie verblüfft.
    »Sie machen diesen Job wohl zum ersten Mal?«
    Sie nickte.
    »Herr Harbrecht hätte Ihnen wirklich die branchenüblichen Rettungsmaßnahmen für Notfälle erklären müssen! Im Falle strikter Verweigerung droht man den renitenten Hoteliers zunächst mit dem Direktor des Fremdenverkehrsamtes, dann mit der Steuer, und wenn das immer noch nichts nützt, kündigt man erst einmal – natürlich nur mündlich! –

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