Bitte keine Rosen mehr
Placid-Island-Unabhängigkeitsfeier. Die Rede war in der Placid-Island-Sprache gehalten worden.
Ein Kollege, der auf die Techniken des sogenannten ›Stimmenspur‹-Vergleichsverfahrens spezialisiert ist, begutachtete beide Stimmen. Er identifizierte den Mann, der auf dem Kassettentonband mit Firman sprach, als Briten aus den English-Midlands. Dr. Henson hatte auf Coventry oder Birmingham getippt. Die Tuakana-Aufnahme dagegen bereitete ihm Schwierigkeiten. Nicht weil er die Sprache nicht verstand, sondern weil sie nicht zum Zweck des Vergleichs benutzt werden konnte. Der Klang der Stimmenmuster ist es, der analysiert und verglichen wird. Diese beiden Klangkomplexe entstammten zwei ganz verschiedenen Kategorien: die eine größtenteils labial und nasal, die andere voller Knacklaute. Man kann keinen Fingerabdruck mit einem Handabdruck vergleichen, selbst wenn beide von derselben Hand stammen. Eine beglaubigte Aufnahme, auf der Mr. Tuakana Englisch oder irgendein anderes phonetisch vergleichbares Idiom sprach, war nicht aufzutreiben.
Der Zweifel nagte jedoch an mir, und nach der Konferenz in San Francisco vor zwei Monaten stimmte meine Frau meinem Vorschlag zu, den mir zustehenden Urlaub darauf zu verwenden, etwas von der Südsee zu sehen. Wir kamen um Visa für das zu den Fidschis zählende Placid Island ein und flogen in trautem Verein mit geladener Fracht in einer der vierzehntäglich von Insel zu Insel hopsenden Maschinen dorthin.
Das Hotel ist nahezu fertig eingerichtet, aber noch nicht eröffnet. Das alte Gasthaus ist primitiv, doch wir wurden dort sehr herzlich aufgenommen.
Als eingefleischter Gegner und Kritiker dessen, was Mr. Firman das ›Steuerparadiesgeschäft‹ nennt, bin ich denen, die ihren Unterhalt damit verdienen, namentlich ziemlich gut bekannt. Es überraschte mich keineswegs, daß der kanadische Anwalt, der als Placid-Island-Vizekonsul in Suva fungiert und uns die Visa erteilte, unserem Besuch eine Vorwarnung vorausgeschickt hatte. Schreiben von Mr. Tuakana und von einer Tochter Häuptling Tebukes erwarteten uns bei der Ankunft. Beide waren Einladungen zum Lunch am darauffolgenden Tag. Die Gastgeberin meiner Frau würde die Leiterin der neuen höheren Schule für Mädchen der Insel sein. Mr. Tuakana freute sich darauf, mit mir zu einer zwanglosen Unterredung über Themen von gemeinsamem Interesse zusammenzutreffen. Er hoffte, mich und Vrouw Krom dazu bewegen zu können, im weiteren Verlauf der Woche einem von Häuptling Tebuke gegebenen Empfang beizuwohnen. Das Mittagessen im Government House indessen werde à deux sein. Ein Wagen mit Fahrer werde mir während meines Aufenthaltes zur Verfügung stehen.
Der Government-House-Komplex besteht aus einem zweistöckigen Gebäude und vier Bungalows, die dem – in den Zeiten der Kolonialherrschaft dort residierenden – Gouverneur und seinen leitenden Beamten als Wohnsitz dienten. Als Erster Minister beansprucht Mr. Tuakana den größten Bungalow, in welchem sich sowohl seine Amtsräume als auch seine Dienstwohnung befinden. Sein Hauspersonal schien mir ungewöhnlich gut geschult zu sein.
Beim Studium von Mr. Firmans Buch habe ich mich von Anfang an bemüht, objektiv zu bleiben und mir in regelmäßigen Abständen vor Augen zu halten, daß alle darin abgegebenen Erklärungen so lange als falsch zu gelten haben, als nicht das Gegenteil erwiesen ist. Wenn ich daher erkläre, daß Firmans Beschreibung Mat Williamsons Mathew Tuakana wie angegossen paßt, meine ich damit nicht bloß visuell – es mag zwei Namen geben, aber es gibt nur einen Mann –, sondern daß sie auch sonst den Mann wiedergibt, der mit Untergebenen fertig zu werden weiß und sich auch etwas darauf einbildet.
Die Art jedoch, wie er sich mir vorstellte, ließ den in Firmans Darstellung beschworenen Charme weitgehend vermissen.
»Ich bin der Tuakana, dessen christlicher Taufname Mathew Williamson ist«, sagte er. »Ich bin nicht der Williamson aus dem Buch von diesem Firman, sowenig, wie Sie, würde ich meinen, der Professor Krom sind, den er darin karikiert. Solange wir in diesem Punkt übereinstimmen, sehe ich keinen Grund, warum wir uns nicht einigermaßen frei und offen unterhalten sollten.« Er klingelte mit einer kleinen gläsernen Glocke, die neben ihm auf dem Tisch stand. »Was trinken Sie? Schnaps?«
»Nein danke, Herr Minister.«
Als der Butler erschien, bestellte Mat Eiswasser. Ich sollte hier anmerken, daß seine Stimme ganz anders klang als diejenige auf der
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