Bitte keine Rosen mehr
Wimper. »Hier auf Placid gibt es derzeit noch keine Pfadfinder. Die gesetzgebende Versammlung ist gebeten worden, die Gründung einer hiesigen Bewegung zu genehmigen. Wie ich höre, ist der neue protestantische Pfarrer interessiert, aber wir haben gegenwärtig andere Prioritäten.«
Beim Lunch – Dosenschinken, Salat, Pulverkaffee – erzählte er mir von den öffentlichen Vorhaben, die er geplant habe, und den Schwierigkeiten, Anleihen zu niedrigen Zinsen zu bekommen.
Ich fragte, ob Mr. Yamatoku ihn in allen derartigen Dingen berate.
Er sah verblüfft aus. »Mr. Yamatoku ist Mitglied unserer Delegation bei den Vereinten Nationen in New York.«
»Herr Minister, ich werde über New York heimfliegen. Meinen Sie, Mr. Yamatoku würde mich empfangen?«
»Rufen Sie seine Sekretärin an, für Sie wird er sich bestimmt Zeit nehmen. Allerdings ist er ein vielbeschäftigter Mann.«
Hier riß mir nachgerade der Geduldsfaden. Über die folgende Unterhaltung machte ich mir eingehende Notizen, sobald ich ins Gästehaus zurückgekehrt war.
»Aber nicht so beschäftigt wie Sie, Herr Minister, da bin ich mir ganz sicher. Wo und wann sind Sie Mr. Firman erstmals begegnet?«
Er starrte eine Weile so angelegentlich über meine rechte Schulter hinweg, daß ich mich fast umdrehte, um zu sehen, wer dort sein könnte. Derart abgestandene Interviewtricks nehmen sich bei einem so anspruchsvollen Mann seltsam aus. Als er merkte, daß der Trick bei mir nicht verfing, begann er, umständlich seine Serviette zu falten.
»Der Ort des Zusammentreffens war der von ihm angegebene«, sagte er. »Port Vila auf den Neuen Hebriden. Er nannte sich Perry Smythson. Nahezu alles andere, was er sagt, ist zur Gänze oder in Teilen glatt gelogen. Wenn es das nicht wäre, würden wir nicht miteinander reden. Ich bin mir ganz sicher, daß Sie nicht glauben, wir säßen hier privat zusammen, wie wir das tun, weil ich begierig bin, Ihre Ansichten über die Methodologie internationaler Steuerplanung kennenzulernen.«
»Nein, Herr Minister, aber Sie möchten vielleicht wissen, was ich in bezug auf Firmans Buch zu unternehmen gedenke. Selbstverständlich möchte ich auch wissen, was Sie vorhaben. Ich hoffe, Sie können mir die Entscheidung erleichtern. Ein Mann in Ihrer Stellung muß jede öffentliche Kontroverse über verleumderische Behauptungen meiden, nehme ich an.«
»Meiden wie die Pest, Herr Professor. Das gleiche gilt für Publikationsverbote durch gerichtliche Verfügung oder Zensur durch juristische Erpressung. Meine Absicht ist, nichts zu tun, und ich will Ihnen sagen, warum. Als ich das Firman-Manuskript gelesen hatte, ließ ich mir sofort Ihr Buch und den New Sociologist mit Ihrem Essay schicken. Das Deutsch des Buches war mir ein bißchen zu hoch, aber der Essay hat mich fasziniert. Ja, fasziniert! Er bestätigte etwas, was ich seit langem dunkel ahnte.«
»Essays, die das tun, sind immer faszinierend.«
Ich erntete nur ein flüchtiges Lächeln. »Sagen Sie mir eines, Herr Professor. Firman zitiert eine Definition des kompententen Kriminellen, von der er behauptet, es sei Ihre. Ist sie das?«
»Es ist die vereinfachte Vorlesungspodium-Version, die ich üblicherweise benutze.«
»Dann kann sie, fürchte ich, auf Smythson-Oberholzer nicht angewendet werden.«
»Sollten wir ihn nicht schlicht Firman nennen, Herr Minister?«
»Ich bitte darum. Er hat allzu viele Pseudonyme, da stimme ich Ihnen zu. Aber Sie können ihn, welchen Namen Sie ihm auch geben, nicht als den wohlangepaßten, emotional stabilen Mann Ihrer Definition bezeichnen. Der ist Firman mit Sicherheit nicht. Das fiel mir bei ihm zuerst auf.«
»Könnten Sie etwas Genaueres darüber sagen?«
»Gewiß. Carlo Lechs Tod war ein schwerer Schlag für ihn. Ich weiß es, denn ich war dabei, als er die Nachricht erhielt.« Er hob abwehrend die Hand, als hätte ich ihn unterbrechen wollen. »Lassen Sie mich bitte ausreden. Lech war nie die Vaterfigur, die Firman porträtiert. Darin stimme ich mit Ihnen überein. Aber Firman zog es stets vor, zu glauben, er sei es. Das Kind beschuldigt ein passendes Alter ego für seine eigenen Missetaten. Das ist ganz natürlich. Der neurotische Erwachsene, der Knabe, der nie erwachsen wird, fährt fort zu projizieren, aber er tut das in einem anderen Maßstab und benutzt andere Mechanismen. Einen dieser Mechanismen nennt man Rollentausch, glaube ich.«
»Bitte fahren Sie fort, Herr Minister.« Der Amateurpsychiater ist selten so gefährlich, wie
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