Bitte keine Rosen mehr
Kassette. Im allgemeinen kann ich zwischen amerikanisch und britisch gesprochenem Englisch durchaus unterscheiden. Seines klang eher amerikanisch, aber ich bin mir da nicht wirklich sicher. Firmans Behauptung, daß der Mann ein gerissener Schauspieler sei, war offenkundig unüberprüfbar.
Nachdem er sich hatte bestätigen lassen, daß wir uns im Gästehaus wohl fühlten, fuhr er fort: »Herr Professor, sagen Sie mir eines. Sie und Ihre Frau haben heute morgen eine Rundfahrt gemacht. Sie haben sich hauptsächlich den Hafen und die Anlagen der alten Phosphat-Gesellschaft angesehen. Was halten Sie von dem bißchen, was Sie von uns haben sehen können?«
»Irgendwo in dem Buch unseres Freundes wird diese Insel mit einer Mondlandschaft verglichen. Für das Tagebergbaugebiet trifft das durchaus zu. Aber ich habe auch Dinge bemerkt, die mir nach Bemühungen, die Verhältnisse zu bessern, aussahen. Gehen die auf Sie zurück?«
Sein flüchtiges zufriedenes Lächeln verriet, daß das, was ich gesehen hatte, eine mir zu Ehren verordnete Schau und der Fahrer entsprechend instruiert war. »Nicht allein auf mich, Herr Professor. Mir zur Seite steht eine Vielzahl solcher Personen, die Sie so mißbilligen.« Er schenkte mir ein Glas Wasser aus dem Krug ein, der gebracht worden war. »Ich meine diejenigen, die Sie als Steuerschwindler bezeichnen.«
Ich stellte mich dumm. »Die Männer an den Erdaufschüttungsmaschinen sahen mir ganz nach Inselbewohnern aus.«
»Das sind sie. Aber kennen Sie das Verfahren der Registrierung einer Gesellschaft oder der Gründung eines Konzerns auf Placid?«
»Ich könnte die einschlägigen Paragraphen der Körperschafts- und Konzerngesetze von einem halben Dutzend Ihrer Konkurrenten auf diesem Gebiet auswendig hersagen, Herr Minister. Ich wäre überrascht, wenn Ihre wesentlich anders lauteten.«
»Nicht wesentlich anders, nein, aber ein bißchen schon. Ein Teil der Körperschafts- und Konzerngründungsgebühren muß in Form von Sachleistungen erlegt werden.«
»Ein hübscher Trick. Fabriken und Maschinen?«
»Erde. Placid Island ist größtenteils von der Bergwerkgesellschaft abgetragen und vernichtet worden. Eine Lieferung von fünftausend Tonnen fetter, schwarzer Erde ist für eine neue Gesellschaft Garantie genug. In den darauffolgenden Jahren geben wir uns dann mit eintausend Tonnen jährlich zufrieden, solange die Qualität gut bleibt. Die einzige Uhr, die wir hier zurückstellen, ist die ökologische. Auch so schaffen wir es nur knapp.«
»Ist Ihnen eine Frist gesetzt, Herr Minister?«
Ich wurde mit einem kühlen Blick bedacht. »Leute, die so denken wie Sie, setzen uns die Frist, Herr Professor. Die Schrift an der Wand ist deutlich genug. Überall, besonders in den Ländern mit hohen Steuersätzen, gehen die Steuerbehörden jeden Tag schärfer vor. Und die Schrift findet sich nicht nur auf Wänden. Im Amtsblatt des europäischen Gemeinsamen Marktes wurde der Sünde, die wir begehen, dem Verbrechen, das Sie so sehr verabscheuen, eigens ein neuer Name gegeben – Anstiftung zu antisozialer Steuervermeidung! Klingt das nicht verworfen? In zehn Jahren werden wir auf gesetzgeberischem Weg aus unserer wirtschaftlichen Existenz vertrieben, wenn wir weiterhin nur einen kriminellen Kurs zu steuern wissen. Wir machen uns keine Illusionen, kann ich Ihnen versichern. Wenn wir den Westmächten als neokoloniale Dritte-Welt-Pensionäre lieber sind denn als selbstbewußte Exporteure fiskalischer Dienstleistungen, müssen wir uns anderweitig nach Rettung umsehen. Aber wo? Ja, wir könnten unsere Hafenanlagen an den Meistbietenden verkaufen und jemandes nukleare Marinebasis werden. Oder wir könnten uns selber als Raketenabfang- oder Mikrowellenstation verpachten. Schicksale, schlimmer noch als der Tod, fürchte ich. Nein! Mit genug Erde und einem auf gründlicher Forschung fußenden Entwicklungsprogramm können wir unsere sündigen Steuervermeidungs-Jahre sicherlich dazu nutzen, uns eine bessere Zukunft zu kaufen. Was meinen Sie, Herr Professor?«
»Es ist viel Wahres an dem, was Sie sagen, Herr Minister.«
Die Arroganz seines huldvollen Lächelns war unerträglich. Ich traf eine Entscheidung. Wenn er glaubte, Firmans Urteil über mich nachprüfen zu können, indem er mir in impertinenter Weise Schnaps anbot, konnte ich Firmans Klatsch über ihn nachprüfen, indem ich ihm impertinente Fragen stellte.
»Wie aktiv ist die Pfadfinderbewegung hier auf Placid, Herr Minister?«
Er zuckte nicht mit der
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